Hermann Appelius an Ernst Haeckel, Berlin, 7. November 1901
Berlin W. 50. Ansbacher-
str. 32 d. 7 November 1901.
Hochgeehrter Herr Professor!
Nach zweimaligem aufmerksamen Studium Ihrer „Welträthsel“ drängt es mich, Ihnen nicht sowohl meine Zustimmung als meine Bewunderung über ein Werk zu erkennen zu geben, welches nicht weit genug verbreitet werden kann, um der Wahrheit eine Gasse zu bahnen, und das Dunkel zu erleuchten, welches noch immer auf den unwissenden || und denkfaulen, trägen Massen liegt, und von der heuchlerischen und lügnerischen Pfaffenbrut gehütet wird, sowohl der katholischen wie der nicht minder schamlosen protestantischen. Ich kann es Ihnen gar nicht schildern, mit welcher hohen inneren Befriedigung ich Ihr Werk durchstudirt habe, und fest danken möchte ich Ihnen dafür, daß ich über so manchen Punkt, der mir noch dunkel war, derart aufgeklärt worden bin, daß ich nun mit mir wirklich endlich im Reinen bin, und die feste Ueberzeugung in mir trage, daß jedes Ihrer Worte zutrifft, und die Wahrheit nur in dem Buche || der Natur, nicht aber in dem Buche zu finden ist, welches Luther nur gleich mit der päpstlichen Bulle hätte verbrennen sollen. Bei dem Enthusiasmus, welchen ich für sie, hochgeehrter Herr Professor, für Ihr Werk und die gerechte Sache fühle, drängt sich mir nun die Frage auf, ob es denn nicht an der Zeit wäre, gerade jetzt bei der Los-von-Rom-Bewegung – in lokaler Hinsicht auch bei den gestrigen vollständigen Siegen der Sozialdemokratie bei den hiesigen Stadtverordneten-Wahlen – eine öffentliche Bewegung im Sinne Ihres Werkes zu organisiren, an deren Spitze Sie ständen. Wie wäre es, wenn Sie einen Aufruf erließen und Mitarbeiter an dem Werk forderten, || welches das durch und durch morsche Gebäude des katholischen und protestantischen Christenthums, dieser kulturfeindlichen Religionen zu stürzen bestimmt wäre, welches als damit verbundenen Zweck die Austreibung der Schwarzen und die Verbreitung von Aufklärung und Wahrheit im Auge hätte, und zu welchem gewiß tausende und aber tausende ihren Arm hergeben würden, wenn der rechte Mann, ein Mann wie Sie, an der Spitze stände. Die Stimme des einzelnen verhallt zu leicht, die Lärmtrommel muß geschlagen werden, damit sie gehört und beherzigt wird. Einer der ersten, der sich Ihnen anschlösse, wäre ich.
Sollte ich Sie mit diesen Zeilen belästigt haben, entschuldigen Sie es gütigst! es war mir aber ein unabweisbares Bedürfniß, Ihnen meine Zustimmung und meine hohe Meinung von Ihrer Mannesthat auszudrücken.
Mit allergrößter Hochachtung
sehr ergebenster
Appelius
Amtsgerichts-Rath a. D.