Scheffauer, Herman

Herman Scheffauer an Ernst Haeckel, London, 15. Oktober 1912

Bank Point,

Jackson’s Lane,

Highgate, London, N.

Oktober 15– 1912

Lieber Meister!

Mein allerbesten Dank für Ihren letzten lieben Brief. Meine Frau hat sich auch mächtig gefreut über die freundlichen Zeilen die Sie ihr schrieben und lässt Ihnen herzlichst danken. Für das schöne Büchlein von Carl Neumann haben wir uns schon bedankt, nicht wahr? Es ist und bleibt eins unsere grösste Schätze. Ihre Beschreibung darin vom Ersteigen des Asiatischen Olymps hat mich sehr begeistert. Ich bin auch ein Bergfex – habe viele hohe Berge in Kalifornien erstiegen, Pilatus in der Schweiz, Vesuv in Italien, u.s.w.

Die Diskussionen der British Association in Dundee haben wir sorgfältig gefolgt – nichts viel neues – doch haben die Dualisten- Vitalisten „den Kürzeren gezogen“. Ihr Brief im „London Budget“ war prächtig – kurz und kräftig! Sie schreiben ja ein schwungvolles Englisch! Der Monismus ist auch hier in der Luft, obgleich nicht so verbreitet wie in Deutschland. Ich habe einen neuen Artikel in der Arbeit- um nachzuhelfen, oder viel mehr mitzuhelfen. Das Monographie || über Sie werde ich bald mit einem gewissen Verleger besprechen. Ich möchte sie als eine poetische Auslegung Ihrer Philosophie schreiben. Eine esthetische Präsentation des Monismus – eine Verherrlichung des hehres Substanz-Gesetzes – welches im Lichte ihrer wissenschaftlichen Majestät vom Kot der Misachtunga und Verleumdung gerettet werden muss aus den Händen denen die die Materie als Schmutz ansehen. Ich glaube da können die monistischen Poeten besonders behülflich sein. Es steckt ein herrliches mystisches Element in der Materie das genügend ist um das kalte weisse Licht der reinen Wissenschaft etwas menschlich zu vergolden. Doch muss dieses Licht nicht vernebelt werden!

Bölsche, Breitenbach, Keller und Lang habe ich alle – Walter May leider nicht. Können Sie mir bitte den Namen des Verlegers schreiben?++

Auch Nietzsche gewinnt hier jetzt sein Publikum. Ich habe verschiedene Gedichte von ihm für die Englische Gesamt Ausgabe übersetzt. Wenn nur Nietzsche seine Philosophie mitb Etwas von Ihren Wissen verstärken hätte können! Sie bekämpfen die Christianität zum grössten Teil weil Sie auf falschem Boden steht || und Falscheit feudigt [!] – Nietzsche aber weil er sie für moralisch schädlich hielt.

Was halten Sie von Nietzsche und seine Haupt Theorien? Wenn Sie mir gütigst ein paar Worte Ihrer Meinung darüber schreiben wollen, so wäre es mir sehr lieb und auch sehr nützlich, den sehr oft wurde ich über diesen Punkt gefragt – Ihre Stellung zu Nietzsche – und so möchte ich es in meinem nächsten Artikel, wenn Sie es mir gestatten, klar machen. Jetzt muss man in England und Amerika den Bergson bekämpfen der mit seinem mystischen dualistischen Zeug wieder metaphysischen Nebel erzeugen will! Vielleicht komme ich im November oder Dezember nach Berlin. Darf ich da Sie vielleicht auf ein Paar Stunden da besuchen? Das wäre allein die Reise wert!

Hoffentlich geht es schon wieder besser mit dem Gelenk? Ich denke nie daran ohne sozusagen selbst die Schmerzen zu empfinden.

Nun muss ich Sie nimmer länger mit meinen Briefe belästigen! Die Welt die so undenkbar viel Ihnen verschuldet ist, macht immer noch Ansprüche an Sie.||

„Give my best love to Professor Haeckel”, sagt meine liebe Frau. Dazu tue ich die meine und erbleibe wie immer mit allen besten Wünsche und herzliche Grüsse

Ihr ergebener und getreuer

Herman Scheffauerc

a korr. aus: Misschatzung; b eingef.: seine Philosophie mit; c Text weiter am linken Seitenrand: Give my … Scheffauer

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.10.1912
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10422
ID
10422