Herman Scheffauer an Ernst Haeckel, San Fransisco, 13. Januar 1909
651 Broderick Street, San Francisco,
California, Jan. 13ten, 1909
Hochgeehrter und Lieber Herr Professor
Beinahe fünf Jahre sind es nun seitdem ich die grosse Freude hatte Sie in Jena zu besuchen. Aber wie oft habe ich daran gedacht – die kurzen aber kostbaren Stunden die ich mit Ihnen verweilte – in Ihrem Arbeitszimmer, im Laboratorium und im Garten wo Goethe oft sass und wo Schiller den „Wallenstein“ schrieb!
Sehr oft habe ich auch Ihren Werten, hochgeschätzen Brief gelesen den Sie mir zuletzt nach London schreiben. Und häufig habe ich die Photografien betrachtet und meinen Haeckel – schwärmerischen Freunden gezeigta – jenen Photografien die Sie mir damals schickten. Der Artikel ist schon zweimal umgeschrieben worden – es soll hoch poetisch gefasst sein und immer bin ich noch nicht damit zufrieden! Verschiedeneb kleine Artikel und Gedichte habe ich hie und da veröffentlicht – natürlich in Englisch!
Schon vor zwei Jahren hatte ich ein Verständnissc mit einen der Haupt Amerikanischen Magazine über den langen Artikel, aber wärend den schlechtend Zeiten ging dieses zurück. Es ist eine Arbeit die leicht zu verwenden ist, die ich aber jedoch nicht gerne vom Stapel laufen lasse, ehe sie ganz vollkommen ist. Es handelt sich nicht nur über das biographische, sondern auch über den ganzen Monismus – für Amerikanischen Begriffe.
Ihre philosophischen Triumphe, ihr wachsender Einfluss und Ruhm habe ich mit aller Aufmerksamkeit und Freude gefolgt. Und hier in Amerika, überhaupt in San Francisco wo ich jetzt zuweilen bei meinen Eltern wieder bin, und in Neu York wo ich wieder im Frühling zurück kehre, arbeite ich stets für Ihren, für unserene Monismus. Ja, wo ist mir möglich ist lasse ich das Licht herein. In England da machte es mir eine || kolossale Freude dem reaktionären, Pseudo-Gelehrten und Aberglaubens-Verteidger, Sir Oliver Lodge, einige tüchtigef Hiebe auf seinem Eselsbucken zu geben, weil er Sie so frech und ungerecht angriff. Sollte dieserg Aufsatz Sie Interresiern so werde ich Ihn aufsuchen. In der letzen Sammlung meiner Gedichte steht auch jenes lange Stück das ich Ihnen gewidmet habe –„Looms of Life“ – welchesh auch dem Buch seinem Titel giebt. Es ist eben gedruckt und soll ein Exemplar Ihnen zugeschickt werden sobald ich etliche erhalte.
Zu meinen Architekten und Künstler Freunde habe ich häufig von Ihrem wunderschönen Werk über die herrliche Medusenformen gesprochen. Nur weil ich nicht Ihre Ruhe oder Ihre wertvolle Zeit in Anspruch nehmen wollte, habe ich so lange nichts von mir hören lassen.
In London habe ich mir schon etwas Ruhm errungen und schreibe jetzt für die hervorragendsteni „Reviews“, etc. Das auch in Neu York. Schreibe viel Prosa und bin jetzt mit einem national Roman beschäftigt.
Ich hatte eine Bitte an Sie, geehrter Herr Professor. Vielleicht lachen Sie daruber. Als wir beisammen sassen im sonnigen Garten, da nahmen Sie Ihren Biber(?) Filzhut vom Kopf und bemerkten dabei dass Ihnen jedes Jahr zwei solche Hüte von einem Verehrer geschickt werden. Nun, es wurde mir eine herrliche Freude machen solch‘ ein alten Hut von Ihnen zu besitzen – als Andanken [!] und als persönliches und wissenschäftliches Heiligtum! Sollte ich mich jemals dazu bringen mich von solch‘ ein Geschenk trennen zu können, so sollte der Hut zum Museum der Universität von Kalifornien wandeln oder zum dem der Stanford Universität, auch in Kalifornien. Jacques Loeb ist professor der Biologie an der erstern; David Starr Jordan ist President der zweiten Universitätj.
Ich hoffe fest das dieses Verlangen Ihnen nicht phantastisch, zuk sentimental oder unsinnig vorkommt – denn ich setze viel darauf and [!] mit echtem und ernstem Gefühl. Ich lege eine Geld-Anweisung fur 3 Mark hiermit bei – die Postkosten zu decken. Eine starke Verpackung von Papier oder Tuch ist alles was nötig ware.
Es ist moglich das ich bald wieder nach England reise – dann sicher-||lich wieder nach Deutschland, und, wenn Sie es mir erlauben, nach Jena Sie noch einmal zu begrüssen! Meine Generation und die Generationen zu denen ich noch sprechen darf, die sollen von mir noch eine direkte, von Ihnen selbst geweihte Mitteilung erfahren!
Und so verbleibe ich mit allerherzlichsten Gruss und mit allen besten Wünsche fur Ihre Gesundheit, langes Leben und der stetige Wachstum der Sonnen Ihres Geistes,
Ihr getreuer Discipulus
Herman Scheffauer
P.S. Enschüldigen Sie bestens das ich die Schreibmaschine benützt habe, – meine Handschrift ist keine leichte zu entziffern!
S.
a korr. aus: gezeight; b korr. aus: Vershiedene; c korr. aus: Versändniss; d korr. aus: schlecten; e eingef.: für unseren; f korr. aus: tchtige; g korr. aus: dieser; h korr. aus: weches; i korr. aus: hervorragensten; j korr. aus: Universiatät; k eingef.: zu