Scheffauer, Herman

Herman Scheffauer an Ernst Haeckel, London, 21. November 1905

52, Warwick Gardens,

Kensington, W.

November 21, 1905a

Geehrter Herr Professor:

Für Ihren liebenswürdigen Brief mein allerbesten Dank. Aber die Nachricht von Ihrer Krankheit hat mich sehr erschrocken. Ich hoffe von ganzen Herzen das Sie jetzt wieder besser sind und der peinliche Rheumatismus verschwunden. Wann Sie auch so herrlich wie nie ein Mensch die ehrengekrönte Ruhe verdient haben, so braucht Sie die Welt doch noch ‒ darum mögen Sie noch lange und gesund leben, wenn auch nur den immer stärker werdende Beifall zu empfangen der von die acht Weltgegenden Ihnen entgegenströmt! ||

Herrn Mc Cabe habe ich besucht. Er wohnt in einen netten kleinen Hause mit seiner sehr niedliche junge Frau und ein starkes, gesundes Kind ‒ ein normales und vernünftiges Leben für einen ehemaliger Geistlicher! Das er früher Geistlicher war, verstärkt seine Position nur und es freute mich den vorzüglicher Uebersetzer und Apostel Ihres Monismus zu begrüssen. Er gab mir sein Werk: „Haeckel’s Riddle Vindicated“ das so klar und kräftig Ihre Arbeit verteidigt gegen die Attacke der Pfaffen und „Dreckseelen“ hier in dem dunklen England. Die Amerikaner sind viel mehr aufgeklärt und nehmen neue Ideen und Fortschritte viel schneller an als diese eingeschränkte Leute. Herr Mc Cabe zeigte mir || mehrere Photographien, aber wusste nicht gerade welche sein Verleger gebrauchen wird. Aber für mein Zweck passten nur Wenige. Aber gerne möchte ich die Photographie von der Medallien bekommen (Profil) ‒ wenn es auch nur die Post-Karte ist ‒ und das von Ihnen mit dem Hut in der Hand ‒ in Italien genommen. Könnten Sie vielleicht so gut sein und um nicht Ihre werthvolle Zeit einzunehmen mir durch Ihre Frau Tochter so Etwas schicken lassen? Alles werde ich in bestem Zustand zurück schicken ‒ wann es Kosten giebt, so, bitte lassen Sie mir es wissen. Auch danke ich Ihnen, lieber Herr Professor, für ihre Güte, indem Sie mir Ihre letzte Drei Berliner Vorträge schicken wollen. Nein, diese besitze ich nicht. Es würde mir grosse Freude machen ‒ und bitte, ver-||gessen Sie nicht etwas hineinzuschreiben!

Ich werde bald ein Gedicht schicken „Under Haeckel’s Beaver“– „Unter Haeckel‘s Filz Hut“.– was da alle für verherrende Blitze wohnen für die Vernichtung der Lüge und des Aberglaubens und der Nacht sind aufbauende für die Wahrheit, für die Natur für die Menschheit, für das Licht. Die Dichter müssen Ihnen zur Hilfe kommen, geehrter Herr Doktor! – den die Menschheit wird am meisten durch ihre Phantasie und ihr Gemüth gerührt ‒ daher kommt die Kolossale Macht die die Kirche über die Massen besitzt. Dichtung und Wissenschaft müssen von jetzt an mit einander gegen die Mächte des Aberglaubens kämpfen und wir suchen jetzt die Bahn zu brechen und rufen: „Macht || Weg!“ so dass die Lampen und Sterne der Wissenschaft in alle menschliche Hirne frei ihr Licht giessen können. Sie sind der eifrigster und hervorragendster Kämpfer für Monismus ‒ aber ich und einige meiner Freunde sind ebenso eifrige Kämpfer für Sie. Sie machen die Menschen denken – aber wir machen sie fühlen. Ich habe schon hunderte Leute Ihre Räthsel Kaufen machen – und viele haben sich dafür bedankt – und jeder ist ein neuer Rekrut für das grosse Heer der Freiheit und der Wahrheit.

Wir Dichter dieser neuen Zeit werden eine neue Welt der Schönheit schaffen, eine Welt || die auf die Wahrheit gegründet ist, die uns die Wissenschaft entdeckt hat!

Daher möchte ich gerne mein Artikel so vollkommen als möglich machen ‒ in Amerika sollen Sie immer mehr und mehr eingreifen – in populärem Sinne. Bölscheʼs Werke werde ich mir besorgen. Könnten Sie vielleicht mir ein paar Worte an Herrn McCabe geben? – Erlaubnis die Bilder zu gebrauchen ‒ im Falle etwas passendes übrig bleibt. Ich hoffe vom ganzen Herzen das Sie wieder ganz hergestellt sind, – ganz kräftig wieder. Alt wird Ihr Körper aber nicht Ihr Hirn ‒ und unsterblich ist Ihr Gedanken und Ihr Name! Mit grösster Hochachtung und die herzlichsten Grüsse, immer Ihr ergebener

Herman Scheffauer

a gestr.: 1, St. Mary's Road Bayswater. W.; eingef.: 52. Warwick Gardens, Kensington, W.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.11.1905
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10401
ID
10401