Scheffauer, Herman

Herman Scheffauer an Ernst Haeckel, Berlin-Friedenau, 30. Dezember 1916

Lieber Herr Professor:

Wenn der Wunsch einem noch gegönnt ist in einer unglücklichen alten Welt - - so wünschen ich und meine Frau Ihnen ein glückliches neues Jahr. Ich glaube der vitale, der aggressiver, der positiver Gedanke des Friedens ist im stetigen Fortschreiten - - er arbeitet weiter unter den ganzen Aufwand von Wut, Heuchlerei und Unvernunft den man dem Feinde dieses Mal mit der grossten Gerechtigkeit zuschreiben darf. Welch eine Welt - - der lieben Demokratie und des lieben Christenthums! Die moralische Offensive die Deutschland mit den Friedensbesprechungvorschlag eingeleitet hat ist grossartig - - doch war die Ausdrucksform derselben nicht besonders klug gewählt - - man sprach zu viel vom Sieg, vom Feinde schlagen und von Gott. Als Vorkämpfer der deutschen Idee bedauere ich oft diese psychologische Misgriffe.

Ich habe jetzt meine Stellung als literarischer Redakteur der „Continental Times“ aufgegeben. Die Zeitung kann unter dem gegenwärtigen Regime ihren Zweck nicht erfüllen. Dort herrscht der Geist des Unwissens - - und des Profitgiers - - und es ist leider nichts weiteres damit anzufangen. Auch brauche ich ein grösseres Feld, wo ich meine eigene Ideen und Idealen zur Geltung bringen kann. Ein Landsmann von mir der an der Weltstellung Deutschlands sich sehr interessiert, und den Plan den ich hege unterstützen will, und ich selbst, beabsichtigen eine erstklassische Wochenschrift in englisch herauszugeben. Die Schrift soll ein Verbindungsmittel zwischen den Haupt europäischen Nationen und Amerika bilden, und auf unauffallender, objectiver Weise aufklärend wirken. Literatur, Leben, Kunst, Wissenschaft, und allgemeine Kulturpolitik. Soll beitragen zur geistiger Organisation der Welt. Deutschland tut so etwas bitter Not – und so eine Schrift kann nur von Ausländer geführt werden. Es giebt auch eine grosses Publikum in Deutschland wiea ich festgestellt habe, das sich b so eine Schrift annehmen wurde. Wir blieben von offiziellen Einfluss vollständig unabhängig - - eine Propaganda Schrift haben wir nicht im Sinn.

Es wäre nötig wärend des Krieges anzufangen - - damit man schon Wurzeln geschlagen hat wenn der liebe Friede kommt, und sich dann auchc im Auslande entwickeln kann. || Was halten Sie von dem Project, lieber Herr Professor? Der Gedanke wird auch gewisse monistische Grundlinien treu bleiben. Ich bin natürlich durch meine Arbeiten hier schon ziemlich bekannt geworden und ich kann auf das Interesse und die moralische Unterstützung vieler hervorragenden Deutschen rechnen. Keiner von diesen geht mir aber vor Ihnen.

Darum möchte ich Sie das folgende fragen. Darf ich Sie vielleicht in Anspruch nehmen einen Aufsatz fuer die erste Nummer zu liefern? Ueber irgend ein Thema das Ihnen sympatisch ist - - „Der Einfluss des Krieges auf die ethischen Werte des Christentums“ oder so etwas. Ich wurde ihn dann in meinem besten Stil uebersetzen - - und wie Sie vielleicht wissen - - bin ich ganz zu Hause in der englischen Sprache - - als Stilist bekannt - - was besonders einen Angriff gegen mich neulich im englischen Parlament verursachte - - da die Engländer Stil und Form besonders achten und - - fürchten! Nach dem Kriege hört es natürlich mit der Polemik auf.

Wenn Sie mit dem Gedanken einverstanden sind, und Ihre Interesse so ausdrucken wurden dass ich eventuell einen kurzen Auszug aus Ihrem Briefe in einem Prospekt mit den Meinungen anderen berühmten Männer benutzen darf - - so wäre mir das sehr wertvoll. Wir wollen natürlich auch bescheidene Honorare fuer alle Kontributionen feststellen - - nicht dem Wert entsprechend - - denn das wäre am Anfang nicht möglich. Ich hoffe auch dass Ihre bekannte Schüler Boelsche uns etwas liefert. Wir hoffen viele bekannten Namen des In-und-Auslandes als Mitarbeiter zu erwerben.

In der englischen Zeitschrift „The New Age“, stand neulich ein Aufsatz ueber Sie - - ziemlich anständig im Ton - - was heute viel bedeutet! - - leider habe ich ihn zu gut aufgehoben um ihn jetzt zu finden.

Nochmal die herzlichsten Glückswünsche - - hoffentlich kommt der Friede als schönes Geburtstag Geschenk im Februar - - der auch der Geburtsmonat von mir und meiner Frau ist. Und verbindlichsten Dank im Voraus.

Ihr stets getreuer

Herman Scheffauer

Auch beste Grüsse von uns Beiden an Frl. Meyer.

a korr. aus: wiee; b gestr.: fuer; c eingef.: auch

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.12.1916
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10317
ID
10317