Scheffauer, Herman

Herman George Scheffauer an Ernst Haeckel, Berlin, 27. Februar 1916

Taunus Str. 13

Berlin-Friedenau

Feb. 27 – 1916

Lieber Herr Professor!

So beschäftigt bin ich gewesen seit meiner Rückkehr aus Bayern, mit allerlei Angelegenheiten der Zeitung dass ich kaum zur Ruhe gekommen bin. Jedoch habe ich das edle kleine Werk „Ewigkeit“ mit der grösste Interesse gelesen. In grossärtiger Weise fassen Sie den Zusammenhang dieses grasslichen elementarischen Völkerringen auf – ja, mit prophetisch-planetärischen Blick. Sie haben den wehen Punkt getroffen – || der Zusammenbruch des aberglaubischen Christenthums – die Lüge und Heuchlerei der Jahrhunderte. Jetzt in Ihrer Qual und auch von dem Beispiel Ihrer Könige verleitet flehen die Nationen wieder den tauben, stummen, unerbittliche „Gott“ an – in ihrer tragisch–illogischen Weise. Aber der Krieg bedeutet auch meiner Ansicht nach – ein Sieg des Monismus – sobald die Leidenschaften erloschen sind und das gewöhnliche Quantum der Vernunft wiederkehrt.

Sie haben noch eine grosse Wohltat der Menschheit erwiesen – und sie ist Ihnen schon so unendlich viel schuldig.

Ehe ich mehr ausführlich über das Werk schreibe, möchte ich es noch einmal mit Ruhe lesen. Wiederholungen habe ich nicht gefunden – nur vielleicht eine kleine Ähnlichkeit (Seiten 52 u. 54) über „Dichtung“ – obgleich der Zusammenhang ganz anders ist.

Diese Buch sollte eine weite Verbreitung in Englisch finden u. ich habe schon an verschiedene Verleger in der Vereinigten Staaten geschrieben. Man muss natürlich mit viel Feindseligkeit jetzt rechnen – denn meine Landsleute sind in grosse Scharen in dem Englischen Lügengift förmlich verrottet. Amerika steht vor dem Gericht der Weltgeschichte als der erstäunlichste aller Verbrecher. Ich kenne mehrere Amerikaner hier die es verabscheuen und Wilson gründlich verdammen.

Doch hoffe ich das Buch anzubringen. Wenigstens werde ich es übersetzen – wie Sie mir so liebenswürdig Ihr Erlaubniss dazu gegeben haben. Und gedruckt wird es auch – dieses Jahr oder das nächste. Herr Dr. de Gruyter ist ganz mit Ihnen Wünschen einverstanden. Wenn ich aber fragen darf – besitzt nicht || Joseph McCabe die English–Amerikanischen Übersetzungsrechte aller Ihren Arbeiten? Vielleicht sind Sie so liebenswürdig mir die notwendige Autorisation wegen „Ewigkeit“a mit ein Paar Zeilen zu bestätigen, lieber Herr Professor. Es ist bedauerlich dass sich McCabe auf einmal so Deutschfeindlich gezeigt hat – ich dachte dass wenigstens er die Vernunft behalten wurde. Und Thomson und Lankester müssen für Sie eine grosse Enttäuschung gewesen sein. Aber nicht die Deutschen haben diese Werte oder Beziehungen zerstört. || Meine kleine Frau und ich sprechen so oft von Ihnen, lieber Meister, und von den fröhlichen, nie-vergessliche Stunden die wir bei Ihnen in Ihrem friedlichen Heim verlebt haben. Wir erleben wieder mit Ihnen die Touren durch das Tirol, Corsica, die Riviera, die Dolomiten, u.s.w. Meine Frau spricht immer mit der grösste Begeisterung und Liebe von Ihnen – sie hat alles aufgeschrieben. Es freute uns auch sehr Ihre liebe und hübsche Enkelin zu treffen – Frl. Meyer. Unser Besuch in Nürnberg, Augsburg, München war sehr vergnügt und liess uns viele schöne Erinnerungen zurück – aber nichts so schön || als die Stunden die wir mit Ihnen in Jena b verbrachten. Wir grüssen Sie herzlichst und hoffen dass wir Sie und Frl. Meyer bald wieder sehen können – und dass wir Sie wieder so frisch, so munter und so geistig jung finden werden wie im letzten Dezember. Mit allen guten Wünschen an Sie und Frl. Meyer, von uns Beiden

Stets Ihr getreuer

Herman Scheffauer

a eingef.: wegen Ewigkeit; b gestr.: verbrachten

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.02.1916
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10311
ID
10311