Scheffauer, Herman

Herman Scheffauer an Ernst Haeckel, Berlin, 23. März 1915

Kaiser Allee 24.

Wilmersdorf, | Berlin

März 23/15

Lieber Herr Professor:

Jetzt bin ich schon über eine Woche in Berlin und soeben erreicht mich Ihr liebenswürdiger Brief aus Amsterdam. Die Post Verbindungen sind heutzutage sehr schlecht. Ich bin erstaunt dass Sie nicht meinen Brief, den ich aus London einem Freund in New York schicktea zur Weiterbeförderung an Sie, erhalten haben.

Seit dem Ausbruch des Krieges habe ich mich in England sehr unglücklich gefühlt. Durch die Lügen und Schmähungen der hooligan Schand-presse || bin ich stetig in Wut geraten. Ich schrieb viel für die Deutsche Sache in Amerikanischen Blätter, und wann Gelegenheit sich bot auch in die Englischen – unter ein pseudonym. Die Leute sind wirklich fanatisch, irrsinnig – der heuchlerischer Pretext Belgiens verrinnt sich jetzt wie Sand unter Ihren Füssen und solche Engländer die noch edel vom Herzen sind, zermalmt das böse Gewissen. Ich las Ihren herrlichen Aufsatz über die Blutschuld Englands, den mir meine Eltern aus einer Deutsch-Amerikanischen Zeitung zuschickten. Auch schickte ich ihn an die Fräuleins Schmitz die ich von ettlichen Wochen sah. || Sie sind sehr Deutschlandfreundlich, obgleich Ihr Vater ein Lehrer des Eduards VII war (Flaneur der Boulevards und Sport der Rennbahn) – und sie von diesem Übelstifter nichts nahres hören wollen. Ich will hier jetzt für die Deutsche Sache arbeiten – überhaupt was Amerika betrifft – ich verabscheue Amerikab beinah so viel wie England jetzt! Da muss man aber mit Vorsicht und Überlegenheit arbeiten!

Ich weiss noch nicht wenn ich nach Jena kommen kann – doch werde ich esc Ihnen im Voraus wissen lassen. Es tut mir leid zu hören dass Ihre Frau Gemahlin krank ist – und ich danke Ihnen für Ihren gütigen Willen mich einzuladen –

Doch wäre das selbst unter andern Umstände viel mehr als ich jemals erwarten wurde. Es wäre mir sehr lieb Sie nur ein Paar Stunden sprechen zu können.

Auch Prof. Ostwald möchte ich gerne kennen lernen, wenn er zu Zeit in Berlin ist. Wenn Sie vielleicht neue Aufsätze geschrieben haben – kann ich diese wahrscheinlich zum guten Zwecke in Amerika veröffentlichen lassen.

Die allerherzlichsten Grüsse und Beste Wünsche!

Ihr stets getreuer

und ergebener

Herman Scheffauer

a gestr.: Ihnen; eingef.: schickte; b eingef.: Amerika; c eingef.: es

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
23.03.1915
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10307
ID
10307