Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen an Ernst Haeckel, Cap Martin, 16. April 1900
Cap Martin Hotel | 16.4.1900
Lieber Häckel!
Für Ihren so freundlichen Glückwunsch zu meinem 74sten Geburtstage und für die mir höchst willkommenen, kürzlich eingetroffene, Gabe Ihres Lebensbildes von W. Bölsche spreche ich Ihnen meinen herzlichsten Dank aus. Ich habe es zu lesen angefangen und freue mich auf die Fortsetzung dieser so interessanten Lectüre. – Sehr leid thut es || uns, zu vernehmen, daß Ihre Frau Gemahlin so arg von der Influenza ergriffen wurde und daß auch Sie so lange daran zu leiden hatten. Hoffentlich sind Sie so weit Beide hergestellt, daß Sie haben die projectirte Excursion nach Leipzig ausführen können. Das wäre denn doch etwas Luftveränderung gewesen, wenn auch keine so radikale als bei einem Ausfluge nach der Riviera. Wie hätten wir uns gefreut, Sie hier zu sehen! Die verflixte || Urzeugung würde noch nach wie vor den Unterhaltungsstoff abgegebena haben. Ich habe das Capitel darüber in Nägeliʼs Abstammungslehre nachgelesen und gesehen, daß er insofern von Ihnen abweicht, als er annimmt, den Moneren gehe ein längerer Entwickelungsprozeß voraus. Sein Werk ist aber schon vor 17 Jahren herausgekommen und seit jener Zeit hätte er Muße gehabt sich zu Ihrer Ansicht zu bekehren und hat es auch vielleicht gethan.
Meine Frau trägt mir die schönsten Grüße auf, denen ich mich anschließe. Möge dieser Brief || Sie und Ihre Frau Gemahlin wieder bei voller Gesundheit antreffen. Dies, lieber Haeckel, wünscht von ganzem Herzen Ihr
Ihnen herzlich ergebener
Georg
Unglaublich aber wahr: Diesen Moment finde ich erst, was Sie auf die erste Seite Ihres Lebensbildes geschrieben haben. 1000 Dank, lieber Häckel.
a korr. aus: abgeben