Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen an Ernst Haeckel, Cannes, 26. Mai 1892
Cannes, hôtel Mont Fleurӱ, 26.5.92.
Sehr verehrter Herr Profeßor!
Daß Sie uns weder in Menton noch hier, wo wir seit 13tem April sind, getroffen haben, wie ich aus Ihren mir leider erst gestern zu Händen gekommenen Zeilen vom 9ten d. Mʼs ersehe, bedauern wir von ganzem Herzen, hatten wir uns doch recht darauf gefreut, Sie an der Riviera in Begleitung Ihrer Frau Gemahlin zu begegnen. Daß Sie mit Ihrem Rivieraaufenthalt zufrieden waren, freut uns aufrichtig! Wir können dasselbe von unsrem Aufenthalt nicht sagen: kurz vor unsrer Abreise am 29 März hatte ich das || Unglück, einige Stufen herabfallend, meinen linken Fuß zu verstauchen. Durch Massage in Menton wurde der Fuß war wieder heil, es schloß sich aber an die Fußverletzung eine Venenentzündung im betr. Oberschenkel an, in Folge welcher ich nun schon seit 4 Wochen das Bett hüten muß. In den letzten Tagen darf ich zwar stundenweise aufstehen, mit der Bewegung istʼs aber noch nicht brillant bestellt. Leider ist meine Frau, welche während unseres ganzen Rivieraaufenthalts mehr oder weniger leidend war, seit 14 Tagen akut an Halsentzündung erkrankt, so daß sie fest liegen muß. Es geht ihr nur wenig beßer. Unter obwaltenden fatalen Umständen können wir nicht sicher sein, schon Pfingsten auf der Villa Carlotta zu sein. Ihre Absage wirkt deshalb beruhigend auf uns. Es wird dann || hoffentlich uns noch eine Zeit in einem andern Jahre blühen, wo wir unter günstigeren Gesundheitsverhältnissen die Villa bewohnen werden und wo Sie hoffentlich den Besuch, aus dem jetzt nichts werden kann, nachholen werden. Wir hatten uns so gefreut, Sie auf der Villa haben zu können, daß Sie es uns schon schuldig sind, nachzuholen, was sich jetzt zerschlagen hat.
Wenn wir wieder zu Hause sind und hoffentlich wohl, soll es mein Erstes sein, Ihnen wissen zu lassen, daß wir Sie dort erwarten.
Ihr Brief von 9ten kann deshalb erst gestern in meine Hände, weil, mir unbegreiflich, der Verwalter der Villa nicht wußte, wo wir seien. Er glaubte, wir könnten in Corsica, wohin zu segeln, wir ursprünglich vorhatten, stecken und wagte es nicht, aufʼs Ungewisse hin Ihren Brief dorthin zu schicken, was denn schließlich auch recht gut war. –
Meine arme Frau sendet Ihnen mit mir herzlichste Grüße und ich bin, verehrter Herr Professor,
Ihr Ihnen sehr ergebener
Georg