Gegenbaur, Fritz

Friedrich Gegenbaur an Ernst Haeckel, München, 5. Dezember 1901

München 5.XII.01.

Hochgeehrter Herr Professor!

Zunächst muß ich Sie sehr um Entschuldigung bitten, daß ich erst jetzt für Ihre liebenswürdigen Zeilen und Ihr so willkommenes Geschenk danke. Doch zuerst hinderte mich eine plötzlich notwendig gewordene Reise an der Ausführung meines Vorhabens, und dann zog ich mir eine Verletzung an der Hand zu, die noch heute mich sehr im Schreiben hindert. Ich bitte Sie also, verehrter Herr Professor, auch heute noch meinen Dank entgegen zu nehmen. Sie werden erstaunt sein, daß ich nicht von Freiburg1 aus schreibe. Schon seit Ostern halte ich mich hier dauernd auf, und gedenke, soweit es ein gutes Geschick mir vergönnt, noch recht lange hier zu bleiben.

Meine Jurisprudenz habe ich nun || glücklich an den Nagel gehängt. Ich bereue nicht, sie eine Zeit lang studiert zu haben, finde aber, daß sie mir jetzt alles gegeben hat, was sie mir geben konnte. So habe ich mich nun der Kulturgeschichte, Nationalökonomie und Philosophie zugewendet, und hoffe daß diese drei Damen mir länger gewogen bleiben.

Die „Welträthsel“ hatte ich schon Ende dieses Sommers gelesen. Doch werde ich die neue Auflage zu nochmaligem Studium benutzen. Ich habe beim erstenmal manche Anregung daraus empfangen.

Mit „Insulinde“ habe ich begonnen und freue mich sehr, Ihre Reise im Geiste verfolgen zu dürfen.

Seit Ihrem Besuche am 21ten August 1901 hat Papas Leid a wieder merklich Fortschritte gemacht. Die Bewegungsfähigkeit hat wieder sehr abgenommen, auch sonst ist Papa viel ruhiger geworden. ||

Der zweite Teil der „Vergleichenden Anatomie“ hätte schon lange erscheinen sollen, doch Engelmann betreibt die Sache etwas lässig. Doch ist das Buch wohl jeden Tag zu erwarten, ebenso wie Papas Lebensbeschreibung – Erlebtes und Erstrebtes –, die er im vergangenen Sommer schrieb.

Mit Mama hat Else in diesem Sommer recht viel durchgemacht. Auch jetzt ist Mamas Befinden noch nicht so wie wir es wünschen möchten.

Mit den besten Wünschen für Sie sage ich nochmals meinen herzlichsten Dank für Ihr liebenswürdiges Geschenk und bin in aller Hochachtung Ihr

Sehr ergebener

Dr. F. Gegenbaur

a korr. aus nicht lesbarem gestr. Wort.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.12.1901
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 10191
ID
10191