Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 24. Juli 1897

Heidelberg, 24. Juli | 97.

Liebster Freund!

Ich habe manchmal, seit wir uns in Ligurien sahen, über Dich Kunde empfangen, allein es war nur auf indirecte Art, wie z. B. durch Deinen Neffen, dem ich ein paarmal hier begegnet bin. Doch aus der Zeitung habe ich ersehen, daß Du hohen Besuch hattest. Aus Allem darf ich folgern, daß es Dir gut geht, und da das Befinden Deiner lieben Frau sich schon in Nervi gut gestaltet hatte, hast Du wohl auch eine gute Heimreise gehabt, und der Riviera-Aufenthalt hat im Ganzen gut bekommen. ||

Mich hat ebenfalls die Villegiatur recht gestärkt und erfrischt, dagegen hat meine Tochter so gut wie keinen Erfolg gehabt, und beginnt erst jetzt zu Hause sich zu erholen.

Ich habe den Sommer nützlich verbracht in langsamer Thätigkeit, viel mehr meinetwegen, vielleicht aus alter Gewohnheit, als aus dem Verlangen nach wissenschaftlicher Production. Dazu muß einem die Lust gründlich vergehen!

Was gibt es Ungeheuerliches mehr, als daß die Leipziger philos. Fac. einen Mann wie His zum Ehrendoctor creirte! Wo ist da Ein philosophischer Gedanken entstanden, auf jenem Boden? Und wie stets mit der Logik! Man darf über die Mitwelt keine Umschau halten, wenn man nicht wünschen will, der Welt gar nicht mehr anzugehören! || Diesen Wunsch fördert das Alter und bringt seine Erfüllung zur Reife, und deßhalb freue ich mich alt zu sein! Mit dem Beginne der Ferien gedenke ich wieder meine alte Pilgerfahrt zu unternehmen und hoffe in Waldesstille und Einsamkeit ein paar Wochen gut zu verbingen, wenn der Himmel dazu gnädig ist.

Die Idylle in Sta Margherita hat, wie ich jüngst erfuhr, ein großes Loch bekommen, das auch Dich, der Du die herrliche Lage und Frau Sturm gesehen hast, interessiren wird. Bald nach unserer Abreise fand nämlich ein nächtlicher Einbruch statt, durch den Fr. St. ihrer Werthsachen etc. beraubt wurde. Die Unternehmer waren, nicht italienische Strolche, sondern biedere deutsche Alpenbewohner, die dort im Dienste gestanden || hatten. Ein Schweizer und eine Tirolerin! Ob das mir die Lust benimmt je wieder dorthin zu gehen, ich weiß es nicht, möchte es aber denken.

Mit herzlichen Grüßen von Haus zu Haus

stets Dein

C. G.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
24.07.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10168
ID
10168