Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 21. Dezember 1896

Heidelberg, 21. Dez. 96.

Liebster Freund!

Mit bestem Danke für Deinen Brief drücke ich Dir zugleich meine Freude darüber aus, daß das Befinden Deiner Familie sich befriedigend gestaltet hat und Reisepläne gestattet.

Was vor Allem Sta Margherita betrifft, so muß ich mich hinsichtlich der Lage des Gartens der Pension Sturm auf meine, Dir gewiß noch erinnerliche frühere Mittheilung beziehen; für mich überaus reizend! auch durch die Wildniß! Auch Frau Sturm verdient alle Empfehlung, die Verköstigung sehr gut, einfach. Aber nun kommt die Schattenseite. Das Anwesen besitzt zwei Gebäude. Eines dehnt sich unmittelbar an der Straße nach Rapallo, die dort ihre || höchste Steigung hat. Es ist mehr ein Wirthschaftsgebäude in welchem auch einige Gastzimmer sich befinden, die ich nicht kenne. Auch ein Theil der Angehörigen von Frau Sturm war a da untergebracht, sowie ein paar Dienstboten. Das Hauptgebäude, wenn man so sagen will, es wird in der That „Palazzo“ genannt, wenigstens von den Dienstboten, liegt etwas davon ab, mehr im Garten, und ist ein altes Gartenhaus aus Parterre, Zwischenstock und Stock bestehend, zu dem eine sehr steile Treppe führt. Im Stock der nur sehr hohe Räume hat, befindet sich in der Mitte der „Salon“ auf den sich vier Zimmer öffnen, vielleicht auch 1 – 2 mehr. Ob außer Caminen auch Oefen bestehen, ist mir unbekannt. Wenn ich nicht irre, befindet sich ein Ofen im Speisezimmer, wohl auch in anderen Zimmern, ich vermag es aber nicht sicher anzugeben. ||

Die allgemeine Lage des Hauses ist recht gut, aber das Haus befindet sich im Verfalle, da der Besitzer, ein alter Italiener, gar nichts darauf verwenden will, denn er beabsichtigt das ganze Grundstück zu verkaufen. Der Preis ist 170,000 Lire. Ich wüßte keinen schöneren Platz. Das wäre etwas für Dich! Nun noch eine Notiz über die Gazzi. Das ist das allerunangenehmste, um nicht zu sagen fürchterlichste. Ich brauche Dir mich nicht näher auszusprechen.

Wie Du siehst, ist mit der Pension Ohly in St Remo keine Vergleichung möglich. Von Comfort ist keine Rede. Frau Sturm ist eine Freundin von Prof. Ratzel, vielleicht kannst Du von diesem Näheres über Clima und Winde hören. Wir hatten Ende März und im April fast immer herrliches Wetter. Windfrei ist jedenfalls der untere Theil des Gartens.

Die Grassi’sche Unternehmung ist mir bekannt. Als Grassi vor zwei Jahren hier war, habe ich die Leptocephalen ǀ gesehen. Es ist eine schöne Entdeckung. Ich habe mich auch sehr darüber gefreut, daß man ihn nach Rom genommen hat. Dort hat er das richtige Postament!

Deine Absicht nach Messina zu gehen beglückwünsche ich. In Gedanken gehe ich mit, lasse aber den Plancton in Ruhe! Es ist unglaublich welcher Wirrwar in dessen Litteratur besteht. Von Deiner Reise bekommt man wohl noch etwas inzwischen zu hören. Lebe wohl und empfange beste Grüße von Haus zu Haus von

Deinem alten

C. Gegenbaur

a gestr.: letzten beiden Buchstaben en.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.12.1896
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10162
ID
10162