Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 15. Februar 1891

Heidelberg, 15 Febr 1891.

Liebster Freund!

Das war einmal eine recht überraschende, hocherfreuliche Nachricht, die zu dieser düsteren Winterszeit wie ein heller, warmer Sonnenstrahl das Gemüth erquickte. Bravo! und noch einmal bravo! Das habt Ihr gut gemacht, so gut, daß es dazu eigentlich gar keiner Glückwünsche bedarf, die sich ausnehmen wie die Violine im Orgelconcert! Aber diese Wünsche sind einmal da und wollen nicht unterdrückt werden oder gar umgebracht, wie die Kindlein beim || bethlehemitischen Mordt. Daher seien sie fein säuberlich gekleidet nach Jena spedirt und mögen dort versuchen vernommen zu werden. An Aufrichtigkeit fehlt es ihnen nicht, und wenn sie, wie ich hoffe, in bescheidener Haltung sich zeigen, wird man sie nicht vor die Thüre setzen und ihnen auch zu sagen gestatten, wie warmen Antheil wir Alle an diesem frohen Familienereignisse genommen haben.

Dein künftiger Schwiegersohn ist mir natürlich, selbst in effigie nicht unbekannt, und besaß seit Lange schon meine Sympathie. Hätten wir doch noch recht viele solcher Männer!

Sehr beklage ich, daß Deine liebe Frau gerade zu dieser Zeit wieder || leiden muß, und will hoffen daß die Sache auch ohne Eingriff sich wieder einrichtet. Bei uns ist es bisher recht ordentlich gegangen, obwohl meine Frau sich wegen Elsens seit Weihnachten bestehender Chlorose sich mehr als nöthig Sorge gemacht hat, und sich jüngst auch mit mir beschäftigen mußte. Beim vorletzten a Wetterumschlag befiel mich eine sehr heftige Pharyngitis, die zwar ganz gut ablief, aber mich nun schon 14 Tage zu Hause hält. Angesichts des sich nähernden Semester Endes ist der Hausarrest doppelt unerfreulich.

Deine Plankton-Studien; für deren Zusendung ich nachträglich danke, haben mir viel Vergnügen gemacht, und ich begreife vollkommen, wie jeder Unbefangene und nur etwas mit jenen Verhältnißen Vertraute || Dir zustimmen muß. Was die Gegner sagen werden, wüßte ich kaum, wenn nicht neulich ein College mir klar zu machen versucht hätte, daß es bei einer exacten Arbeit einzig auf die Thatsachen ankomme, die für sich allein genügen müssten. Jene werden dann sagen, sie hätten die und die Thatsachen festgestellt, das sei genug Resultat. Von den Folgerungen, welche sie zogen, werden sie klüglich schweigen!

Nochmals beste Wünsche für Frau Lisbeth und herzliche Grüße von Haus zu Haus.

Stets Dein treuer

CGegenbaur

a Vorsilbe vor von oben nachträglich eingefügt.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.02.1891
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10124
ID
10124