Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 17. Mai 1888
Heidelberg, 17. Mai | 1888.
Liebster Freund!
Ich habe mich über Deinen Brief recht gefreut, da ich aus demselben gesehen habe wie es Dir und den Deinigen gut geht und wie namentlich durch die von Walter getroffene Berufswahl nicht nur ein Herzenswusch von Dir in Erfüllung geht, sondern auch eine Sorge Dir abgenommen worden ist. Ich wollte ich wäre erst auch so weit, fürchte aber es nicht so leicht zu bekommen, da ich bei Fritz auch nicht das Mindeste einer Neigung nach irgend einer Richtung bis jetzt entdecken konnte.
Zu Pfingsten gehe ich nach Würzburg. Dann wird auch die zweite Hälfte meines Buches fertig und ich kann wieder freier athmen. Eine Auflage kostet mich immer ein volles Jahr. Sollte nochmals eine nöthig sein, so denke ich daran sie durch Ruge besorgen zu lassen, da ich sonst mit der vergl. Anat. nicht zu Ende komme, die mir || seit Jahren sehr am Herzen liegt. Ich sehe auch daß es nothwendig ist einzugreifen, da so vieles auf falsche Bahnen gelangt ist, wie ich wenigstens dafür halte.
Jüngst erhielt ich auch von H. u. M. Nachricht über die Denomination für die anatomische Professur. Es sollte mir eine recht große Freude sein, nicht blos für mich sondern auch für Dich und für eine gute Sache, wenn Fürbringer berufen würde. Ich zweifle aber immer noch daran, da B. alle Männer springen lassen wird, und sein Papa jetzt auch in der Lage ist, Einfluß in Weimar zu gewinnen. Unversucht wird sicher nichts bleiben. Ich denke Du kannst dabei in Weimar etwas thun, und wirst es nicht unterlassen zumal der Senat doch wohl für B. sich aussprechen wird.
Was wir zum Herbste unternehmen ist noch ungewiß, da das Befinden meiner Frau ein sehr schwankendes || ist. Ich wünschte aber doch sehr mit Dir einige Zeit zusammen zu sein, und hoffe, von Dir Mittheilung zu erhalten, wenn Deine Absichten eine bestimmte Gestalt gewonnen haben werden.
Mit meinen besten Wünschen, für Walter besonders, und besten Grüßen von Haus zu Haus.
Stets Dein treuer
C. Gegenbaur