Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 19. Juli 1879

Heidelberg, 19 Juli |1879

Liebster Freund!

Wiederum habe ich Dir für Brief und andere Zusendungen zu danken, und thue das mit rechter Freude, nur bedauernd daß ich Dir die neue Auflage nicht erwidern kann. Bei mir geht eben alles viel langsamer als bei Dir, das ist ja eine alte Erfahrung, von der der Forst wie der Jenzig Zeugniß geben können. Jetzt erweist sich‘s wieder an der Anatomie an der ich seit a Jahren fleißig, so glaube ich, arbeite, und noch nicht sagen kann, daß ich fertig wäre. Für die Verlangsamung wirkte sehr daß ich mich zwischen der Arbeit immer wieder mit dergl. Dingen befaßte. Das gibt ganz andere Gedankeneinstellungen, und man wirft sich damit nur Steine in den Weg. Seit einem Jahre lasse ich Alles was mich von meinen nächsten Zielen ablenkt liegen, und da gehts viel besser. Von Wirbellosen lese ich fast || gar nichts mehr, von Vertebraten das Nöthigste. Deine Schöpfungsgeschichte habe ich mir aber näher angesehen, wegen der Articulaten oder vielen der Annulaten. Es ist gewiß richtig daß in den Fundamentalstämmen der Metomeria etwas verknüpfendes liegt, und ich bin mit Dir ganz einverstanden, wenn Du darauf das Schwergewicht legst. Aber bei den Gephyreen und Nemertinen wird es doch bedeuten eine scharfe Gränze gegen die Articulaten aufzustellen. Der Faden der die Arthropoden mit den Würmern verknüpft, ist früher abgerissenx) als der die einzelnen Abtheilungen der Würmer, wie Du sie früher auffaßtest, verband. Aber ich komme nochmal darauf, für darstellende Zwecke ist jene von Dir gegebene Auffassung sehr vortheilhaft.

Wegen des Jahrbuchs kann ich Dir im Momente keine Zusage geben, da ich kein Ex. zur Disposition habe. Wenn die Sache übrigens vielleicht deshalb Schwierigkeiten || macht, weil ich noch ein Exemplar zum Mitgliederpreis beziehe, so ist eine Lösung dieses Verhältnisses gewiß das einfachste. Bitte also mir fernerhin für jenen Fall die Zeitschrift nicht mehr zusenden zu lassen.

Schwalbes Aufsatz habe ich gelesen, und halte das Wesentliche daraus für ganz gut. Es ist jene Meinung zwar nicht neu allein S. hat doch erst erwiesen „daß d. G. cil. dem oc. m. cn. gehört, und das halte ich für einen Fortschritt, und möchte wünschen daß diese Richtung von ihm ferner eingeschlagen werden möchte.

Deinen Vorschlag wegen Münchens acceptire ich mit Freuden. Nur muß Verabredung getroffen werden daß man sich nicht verfehlt. Am besten ist Du schreibst mir hieher eine Zeile wann Du in M. sein wirst. Der Brief b wird mir dann irgend wohin nachgeschickt, und ich richte mich so ein daß wir in M. zusammentreffen. Postrestante Briefe in München geben uns gegenseitig Nachricht. Bitte aber, schreibe mir nicht mit allzu kurzem Termin. ||

Bezüglich des Deinem Töchterchen zugestoßenen Unfalles unsere ganze Theilnahme! Hoffentlich ist der Schaden bald wieder gut gemacht.

Mit besten Grüßen von uns an Dich und die Deinigen verbinde ich den Ausdruck der Freunde Dich Ende September begrüßen zu können

als Dein aufrichtiger

CG.

Fürbringer ist am 15ten nach Amsterdam und wird dort bleiben, wenn seine Anwesenheit wegen baulicher Aenderungen im Anatomischen Institut nöthig sein wird. Außerdem will er in einigen Wochen wieder hieher kommen. Seine Familie ist noch hier resp. Mannheim, und wird erst zum Beginn des W. S. von ihm abgeholt.

G. Ruge hat sich jüngst habilitirt.

x) Die Schleifencanäle der Protracheaten sind das einzig verbindende, oder ein Rest davon

a Gestr.: Zu; b gestr.: te.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
19.07.1879
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10040
ID
10040