Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 10. Februar 1878

Heidelberg, 10 Febr. | 1878

Liebster Freund!

Unsere zoologische Proff. ist nun endlich zur Entscheidung gekommen. Da der Abgehende hier leider die wichtigste Rolle bei Vorschlägen spielt war die Sache ziemlich schwierig. Ich wusste zwar daß das Minist. keinen ernennen würden gegen den ich protestirte, allein mir lag daran es nicht so weit kommen zu lassen und es so einzurichten daß die philos. Fac. doch mindestens Einen vorschlüge, dem ich das Placet ertheilen konnte. Zuerst hatte sich Pagenstecher eine Gesellschaft ausgedacht, die sämmtlich meine guten Freunde gewesen wären, dabei Herr Semper an der Spitze! Doch hatte er sich da wieder einmal getäuscht, und er mußte sich mittels eines Compromisses zu anderen bequemen. P. und der Botaniker schlugen dann zusammen vor I. Claus, II. Greef u. F. E. Schulze, III. Bütschli. Ersterer hatte sich an P. gewendet, und angegeben, daß er selbst mit einer Gehaltsverminderung nach H. gehen || würde. Greeff ist ein Freund Pfitzers. Die beiden anderen kamen indirect durch mich in den Vorschlag. Auf Weismann wollte durchaus nicht eingegangen werden. Auch würde das Ministerium, wie ich genau weiß, nur schwer zu seiner Berufung hieher geschritten sein, da die Freiburger schon wegen Czernys großen Lärm machten. Mit Schulze hat das Ministerium aus den Dir bereits mitgetheilten Sparsamkeitsrücksichten gar nicht verhandelt, sondern hat zu Bütschli gegriffen. Der Mann hat mich den Winter einmal besucht, wobei er mir recht gut gefallen hat. Ich denke daß es, unter den gegebenen Verhältnißen, das Beste war.

Ich habe noch einen besonderen Grund mit dieser Berufung zufrieden zu sein, den nämlich daß damit die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen ist, Dich doch noch einmal hieher zu bekommen, wenn Du bis dahin nicht in Berlin oder München bist. Du hast hier an Friedreich und Czerny gute Freunde, und damit lässt sich bei gegebener Gelegenheit sicher etwas machen. Wie ich mir das denke, werde ich Dir mündlich mittheilen, denn ich rechne darauf das || Du nicht auf nur 1 Tag hieher kommst. Wegen Weismann, der gerne hieher gegangen wäre, habe ich mir sehr viel Mühe gegeben, ihn wenn auch nur III loco! in Vorschlag zu bringen. Ich habe dabei erfahren wie all diese Dinge nach rein persönlichen Interessen laufen, und wie miserabel die Mehrzahl unserer sogenannten Gelehrten ist!

So viel für dießmal! Im übrigen geht es mir gut und ich wünsche für Dich dasselbe. Herzlichste Grüße von Deinem

CG.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.02.1878
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10030
ID
10030