Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 14. Januar 1878

Heidelberg, 14 Januar 78

Liebster Freund!

Dank für Deinen lieben Brief, den ich Dir sogleich beantworte, mich freuend daß es Dir und den Deinigen gut geht. Bei uns hat die Pagenstecher Sache viel Staub aufgeworfen, der sich wohl bald verzogen haben wird. Der Mann hat enorm thöricht gehandelt. Einen Theil der anat. Anstalt verlangt, als das abgeschlagen, sein Entlassungsgesuch eingegeben, dann nochmals, dann keine Vorlesungen angekündigt, also Strike! Zum Neujahr kam die Antwort darauf. Ich sah diese Dinge längst kommen, glaubte aber nicht an eine so rasche Lösung. In dieser Voraussicht war mein Gedanke stets auf Dich gerichtet, und ich habe mit Fischer oftmals diesen Fall besprochen, wie die Sache ins Werk zu setzen, und wie die Schwierigkeiten zu heben sein möchten, denn solche bestanden längst. Dieses bewegte mich auch in München, als ich schon merkte, wie Du die Hinderniße vermehrtest, indem Du Deinen Gegnern Gelegenheit zu neuen Angriffen gabst. Bei mir, in meiner freundschaftlichen Gesinnung, die stets sich gleich bleiben wird, wie die große Werthschätzung || Deiner unvergleichlichen Verdienste um die Wissenschaft hat das keinen Eindruck gemacht, aber die Erwägung der für Dich entstehenden Nachtheile schmerzte mich, und im gegenwärtigen Momente, da eine Gelegenheit besteht Dich vielleicht hieher zu bringen, und wieder mit Dir in unmittelbarem Verkehr zu treten, doppelt.

Liebster Freund, es sind nicht die Gegner allein die Dir widerstreben, nicht die Gegner der Richtung oder der Ziele, es sind auch Neider, die zu Feinden werden, und aus solchen setzt sich die gute Hälfte Deiner Opponenten zusammen. Diese Neider sind schlimmer als die Andern weil sie dunkle Wege gehen, und unerkannt ihren Einfluß üben. Du magst Dir, wie ich Dich kenne, aus Alledem nichts machen, aber es ist unklug gehandelt, das mußt Du mir erlauben Dir zu sagen, die Anlässe zu Anfeindungen darzubieten. Ich habe kürzlich den Forster-Sömmeringschen Briefwechsel gelesen und daran die Lecture des Briefes Sömmerings in dessen Amt (I. Bd.) geknüpft. In einem Briefe des alten Heyne an S. finde ich bezüglich Forsters die treffende Stelle, die ich Dir ausschreibe.

„Es ist bald gesagt, Wahrheit muß man ungehemmt sagen, Du Narr! es gehören noch ein paar kleine Umstände dazu!|| Hast Du den äußerlichen Beruf dazu? Bist Du sicher Nutzen zu stiften, und kein Nebel und Schaden, der jenen Nutzen aufwiegt? Zum Märtyrerthum für die Wahrheit sind die urgenten Fälle seltener als man denkt.“

Doch genug hievon, mich hat die Sache um eine schöne Hoffnung betrogen, denn es ist ganz unmöglich Dich hier bei der Fac. Auch nur vorzuschlagen, was übrigens nicht von mir ausgehen könnte. Ich war jüngst in Carlsruhe und habe mit dem Ref. gesprochen. Bei mir, sagt er, hat es keine Bedenken, aber sonst! Auch die Mittelfrage bietet jetzt ein Hinderniß, wenn H. nicht von der Fac. vorgeschlagen wird. Die Kammer macht nämlich in der Bewilligung der Heidelb. Universitäts-Etats größte Schwierigkeiten.

Wie die Besetzung der zoologischen Stelle hier ausgehen wird, weiß ich nicht. Das eine scheint mir sicher, daß sie nicht im Sinne des Vorgängers, der noch als geheimer Ober Zoologe wirksam bleiben möchte, ablaufen wird. Was für mich noch zu retten ist, will ich zu retten versuchen, wozu es einiger Klugheit bedarf. Im Ganzen ist mir die Personenfrage, nachdem ich nicht mehr auf Dich hoffen darf, ziemlich untergeordnet. Schulze, Weismann, Grenacher werden die in Betracht kommenden Ordinarien sein. Weißt Du vielleicht was Schulze an Besoldung hat, und wie Grenachers Persönlichkeit ist? Des letzteren Augen-Arbeit hat mir sehr imponirt. Von Jüngeren wäre mir Büntschli am passendsten. Ludwig in Göttingen? || Schreibe mir darüber was Du denkst.

Wegen Eurer Zeitschrift werde ich Deine Angabe befolgen. Zum Tausch steht mir im Augenblick leider kein Exemplar zu Gebote, aber ich denke es später machen zu können, wenn das Unternehmen einmal dem Verleger einträglich ist. Die Tafeln kosten unsägliches Geld!

Sehr erfreut hat mich die Mittheilung bezüglich Deines lieben Kommens zu Ostern. Aber das sage ich Dir, nicht nur Einen Tag, das darfst Du mir nicht anthun. Wegen deiner in Mannheim zu haltenden Vorlesung nimm einen Rath von mir an. Du hast dort fast ganz ausschließlich ein Publicum dem abstraktes Denken gänzlich ungewohnt ist. Ich höre, Du wolltest über die Plastidule vortragen. Das scheint mir kein für den Ort passendes Thema. Du gebietest ja über eine Unzahl prächtiger Themata concreterer Art. Nimmt davon etwas, und Du wirst den Zweck erreichen. Mir kanns ja einerlei sein, aber ich wünsche Dir Beifall und dem Publicum Befriedigung und Genuß. Leicht verdauliche Speisen! So befindet man sich nach der Mahlzeit am besten.

Durch die Aenderung in der zoolog. Stelle habe ich Aussicht meine Anstalt auch bezüglich ihrer Sammlungsräume auf guten Fuß zu bringen, dann habe ich für hier keinen Wunsch mehr.

Lebe wohl! Und nimm noch herzlichste Grüße

von Deinem aufrichtigen

CG.

Grüße auch Strasburger bestens. Es freut mich sehr daß er treu bleibt. Wer ist in der Berliner Botanikus Eichler! Homo mihi incognitus!

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.01.1878
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10029
ID
10029