Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 28. November 1877
Heidelberg 28 Nov 77.
Liebster Freund!
Nach dem wir Dich mit Deiner l[ieben] Frau auf der Rückreise mehrere Wochen lang erwartet hatten, leider vergeblich, hoffte ich immer von Dir wenigstens briefliche Nachricht zu erhalten. Da auch diese Hoffnung vergeblich war, will ich nicht länger zögern Dir, wenigstens zur Begleitung meines Grundrisses, ein paar Zeilen zu senden. Vor Allem mit der Anfrage wie es Dir geht, da ich befürchte daß Dein Schweigen seinen Grund in einem Unwohlsein hat, das Dich vielleicht auf der Reise befallen haben mag.
Leider konnte ich Dich nicht mehr am Bahnhofe in München bei Deiner Abreise begrüßen, da ich mich sowohl || mit der Zeit als mit den Münchener Fiackern verrechnet hatte, und zu spät anlangte. Auch ich fühlte mich in München etwas abdominal gestört, und reiste am Montag ab, ohne jedoch weitere Belustigungen zu haben. Das überaus schlechte Herbstwetter hielt mich hier, wo ich auch zur Beendigung des Grundrisses nöthig war.
Damit gelangte ich ohne es recht zu empfinden ins Wintersemester, welches was Frequenz anbelangt nichts weniger als erfreulich ist. Da ich gerade an nicht erfreulichem bin muß ich eines mir von Hertwigs zu gekommenen Schriftstückes gedenken, das mich in hohem Grade unangenehm berührte, ja in vielen Stücken empörte. Ich wußte lange nicht ob ich es beantworten sollte, werde das aber denn doch jetzt thun, und Dir selbstverständlich davon Mittheilung machen. Dabei kann ich Dir nicht verhehlen daß Du in der Anwendung Deiner Menschenkenntniß jedenfalls einen großen Fehler begangen hast, denn auch da ist Vorsicht nöthig. ||
In meiner Familie geht es glücklicherweise jetzt gut, nachdem die beiden Kleinen die Varicellen bestanden haben und gleichzeitig Emma an einer äußerst heftigen Angina, die mir eine diphteristische Basis zu haben schien, darnieder lag. Hoffentlich befinden sich die Deinigen wohl und Du findest recht bald Zeit ein Lebenszeichen zu geben. Mit besten Grüßen von Haus zu Haus
Dein
CGegenbaur