Heidelberg, 27. Juni |1877.
Liebster Freund!
Aus einem Briefe O. Hertwigs erfahre ich, dass Du mit einem Fußleiden behaftet warst, und will hoffen dass Du wieder hergestellt, und im vollem Gebrauche Deiner Corsentionsorgane bist. Ich habe jetzt mit dem Druck des Grundrisses viel Arbeit, da derselbe bis Herbst fertig sein soll. Kleiner kann ich das Ding aber erst einmal machen, wenn ich die Grundzüge neu herausgebe. An einer Concurrenz mit O. Schm. liegt mir gar nichts, das ist nicht meine Absicht. Für jetzt erscheint es mir zweckmäßiger wenn es sich noch etwas mehr an die Grundzüge anschließt. Bei mir geht es im Ganzen gut; nur hat meine Frau diesen Sommer mehr zu liegen als je, und ich || beabsichtige sie demnächst in ein Bad zu bringen. Die Kinder gedeihen und Dein Pathe ist ein derber Junge geworden. Ich denke Du kommst zum Herbste einmal hieher und siehst Dir denselben an.
In hiesigen Kreisen erweckt Dein Specialcollege einiges Aufsehen, indem er jüngst seine Entlassung eingereicht hat. Er machte nämlich wieder gewaltige Ansprüche an die Anatomie, wurde abgewiesen und glaubte nun durch seine Entlassung einen Druck auszuüben, was bis jetzt nicht verfangen zu haben scheint, obschon er eine Facultätsdeputation, den biederen Quinque an der Spitze, zuwege brachte.
Ich bin im Ganzen recht zufrieden wenn ich den Kerl nicht mehr sehen muß, allein die Sache hat auch ihre Kehrseite, denn, wer wird Nachfolger werden? Der hier die üble Sitte existirt, daß der Abgehende einen Einfluß auf die Wiederbesetzung ausübt, habe ich nicht den mindesten Zweifel daran daß ein ganz armseliges Subjekt, dem etwas noch || Leuckartchen einen besonders schönen Anstrich gibt, auf die Stelle kommen wird. In der philos. Facultät hat kein Mensch Interesse an einem tüchtigen Zoologen, und fast alle wohl setzen mehr darauf daß er etwas zu ihnen halten, sie wählen wird u. dergl. Alles andere ist Nebensache. So war es als P. Professor wurde, und so wird es jetzt sein. Ich habe höchstens durch Fischer Einfluß, aber dieser Weg ist hier unpraktikabel.
So will ich den sehen wie die Geschichte abläuft; vielleicht nimmt er seine Entlassung wieder zurück! à la Reichert! Für den Augenblick wäre das das Beste.
Mit den besten Wünschen für Dich und die Deinen sendet herzliche Grüße
CGegenbaur
Deinem Neffen geht es gut, es scheint ein netter, braver Junge zu sein.