Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 8. April 1877

Heidelberg, 8. Apr. 77

Liebster Freund!

Dein Brief hat mir rechte Freude gemacht, da er mich Dich gesund und munter wissen ließ, im Genusse südlicher Natur, und in Erreichung gesteckte Ziele, aber dabei auch eingedenk Deines alten Freundes, dem erst seit wenigen Tagen die warme Frühlingssonne scheint.

Ich habe inzwischen fleißig am Grundriß gearbeitet, vieles umgeformt und sogar umgeschrieben, so daß das Buch wie ich hoffe, etwas besser geworden ist. Nur noch wenige Bogen sind zu behandeln, und damit werden die Ferien darauf gehen, so daß ich mit dem Mai werde drucken lassen können. Ich bin übrigens recht froh Engelmanns Vorschlag eines Abdrucks nicht acceptirt zu haben, das wäre der reinste Todschlag || gewesen. Das Iheringsche Buch hat mir viel Arbeit gemacht. Mit seiner Diphalie ist natürlich gar nichts, und ich werde, da ich jetzt alle seine hinfälligen Gründe keine, eine Besprechung des, übrigens sonst recht verdienstlichen Werkes vornehmen. Bis auf die beiden großen Gruppen, die zu verwerfen sind, wird man die Untergruppen anerkennen können, a wenigstens jene der Prosobranchisten.

Von der Zeitschrift Kosmos ist mir jüngst das erste Heft zu Gesicht gekommen. Der Verleger hatte früher sich an mich gewandt um mich zur Betheiligung aufzufordern, die ich natürlich ablehnte. Abgesehen vom Unternehmen an sich sind die beiden Redakteure doch ziemlich bedenklich, der eine davon ist ein offenbarer Wirrkopf, und ich beklage nur daß Darwin und Du damit eingeschlachtet seid. Daß Du das überaus bedenkliche nicht erkannt hast, wundert mich. Am meisten scheint mir die Entwickelungslehre der wissenschaftlichen Einbürgerung zu || bedürfen, und das kann nur durch Arbeiten geschehen, Ausbau der einzelnen Disciplinen in jenem Sinne. Das große Publicum kriegt davon schon so viel ab, als es braucht, und hat nicht nöthig, sich selbst hinein zu mischen, unreif unreifes zur Welt bringend. Was soll denn das eigentlich fördern? Und Herr von Hellwald, der die Ausgeburt der Kritiklosigkeit zu sein scheint! So gehe ich denn nicht mit dahin! Nicht überall viel!

Gleichzeitig mit Deinem Briefe erhielt ich auch einen von Deinem Bruder, der mich wegen seines Sohnes Heinrich frug. Ich habe ihm so gut als thunlich Auskunft gegeben. –

Einen Ausschnitt aus der gestrigen Allg. Ztg. lege ich Dir bei.

Bei uns ist es bisher ganz gut gegangen, und nun da es voller Frühling geworden, hoffe ich auch mich etwas zu erholen, und werde nächste Woche auf einige Tage nach dem Schwarzwald gehen.

Herzliche Grüße von uns allen, und beste Wünsche zur Reise!

In alter Freundschaft

Dein

CGbr.

a Gestr.: F.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.04.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10019
ID
10019