Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 28. Dezember 1875

Heidelberg, 28. Dez 75.

Liebster Freund!

Als letzten Gruß in diesem scheidenden Jahre, und zugleich als herzlichen Glückwunsch zum neuen lasse ich diese Zeilen an Dich abgehen, vor denen Du schon einmal Nachricht von mir erhalten hättest, wenn die letzten Wochen mir mit mancher Aufregung nicht auch viele Abhaltung gebracht hätten.

Zuerst war es der Verkauf des Hauses in dem wir wohnen, und die Nothwendigkeit dasselbe zu Ostern zu verlassen, ohne daß wir eine andere Miethwohnung finden konnten. So vergingen ein paar Wochen in vergeblicher Bemühung. Endlich trat die Möglichkeit heran ein passendes Häuschen käuflich zu erwerben, und dieses Unternehmen wird hoffentlich in einigen Tagen seinen befriedigenden Abschluß finden. Der Gedanke damit das Nomadenthum überwunden zu haben hat etwas sehr befriedigendes, und wird mir zum guten Abschluß des alten Jahres, welches meinen Eingewöhnungsprozeß || in hiesige Verhältniße so ziemlich zu Ende geführt hat. Neulich war mir das Prorectorat angetragen, und es bestand Aussicht daß ich einstimmig gewählt würde, auch in Carlsruhe hatte man es gewünscht. Ich habe es begreiflicherweise abgelehnt, zumal die baulichen Aenderungen und andere Einrichtungen meiner Anstalt mich in Anspruch nehmen werden. Immer aber war mir jener Antrag erfreulich da ich daraus sehe daß ich hier Boden gefaßt habe, und das Vertrauen der Collegen ebenso genieße, wie jenes des Ministeriums. –

Dein College P. ist inzwischen auf einen mehrmonatlichen Urlaub abgereist, nach Palermo! möchten sie ihn dort behalten! Es ist merkwürdig, wie sehr die Stimmung gegen dieses Menschenkind seit ich hier bin umgeschlagen ist! Seine früher intimsten Freunde raisonniren laut über ihn. Ob er wieder gebrauchsfähig wird, weiß ich nicht. Wie ich ihn kenne wird er noch Direktor der Anstalt bleiben wollen, wenn er Arme und Beine verloren a haben sollte. –

Wir haben ein recht vergnügtes Weihnachtsfest gefeiert, und Du hast durch Deine Arab. Corallen meine Frau hocherfreut. Einen Dankbrief von ihr lege ich bei von den Bildern halte ich den Sinai || für ausgezeichnet gelungen. Ich freue mich daß Du Deinen Reisewegbericht in dieser schönen Form verwerthet hast, und wünsche Dir Glück dazu. Frau Fischer hat Dir ihren Dank schon dargebracht. Er war gleichfalls sehr erfreut darüber. Lebe nun wohl, lieber Freund, und sei unter den besten Wünschen für Dich wie für Deine Familie, herzlichst begrüßt, und schenke mir auch im neuen Jahre Deine Freundschaft. Hoffentlich führt uns Ostern wieder zusammen, und wenn auch das neue Haus noch nicht bezogen ist bis dahin, so bist Du im alten dem alten Freunde nicht minder willkommen!

Grüße Deine liebe Frau bestens, darum bittet

Dein aufrichtiger

C. G.

a Eingef.: haben

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.12.1875
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10009
ID
10009