Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 10. Oktober 1875

Heidelberg, 10. Oct. | 75

Liebster Freund!

Ehegestern erhielt ich Deinen lieben Brief und freue mich Dich nun wieder wohlbehalten in Jena zu wissen, wo Du sicherer aufbewahrt bist als auf Deinen einsamen Bergfahrten!

Als ich den Abend nach unserer Trennung in Schaffhausen ein dichtes Wolkenmeer über den Alpen schwimmen sah, konnte ich mir vorstellen daß auch Du nicht mehr lange bleiben würdest. Auch ich bin nach zweitägigem Aufenthalte in Stuttgart, und einem flüchtigen Besuche Würzburgs, wo ich Emma abholte, rasch a hieher gereist, und habe Alles gut angetroffen.

Die Spongienentwicklung ward mir durch den Autor bereits bekannt, und hat mich sehr gefreut, da damit der biedere Oskar doch seinen verdienten Lohn rascher empfängt, als ich hoffen konnte. Allmählich fange ich sogar an über den Biedermann noch ganz andere Vorstellungen zu bekommen! Doch davon einmal später. Gut wird sein, wenn Du Deinen Artikel c. H & G. die möglichst große || Verbreitung zu geben versuchst, denn ich glaube man wird sich darauf gefaßt machen müssen, daß die G[enerelle] Morpholog[ie] nächstens im Ausland besprochen wird, oder sonst wo, wo urtheilsloses Publicum gegenübersteht, und es ist doch jedenfalls wünschenswerth, daß der Unsinn nicht erst noch allzuvielen Staub aufwirft, ehe er in den ihm zukommenden Hintergrund abtritt. Gegenüber dem His-Bronneschen1 Journalprospecte, wo luxuriöse Ausstattung „aus dem Vollem“ versprochen ward, hat mich das Fallit köstlich amüsirt, und ich bedaure nur daß, wie Du mir schreibst, auch Unschuldige mit ins Verderben gezogen wurden. Uebrigens konnte ich neulich schon aus Engelmanns mündlichen Äußerungen wahrnehmen daß es mit der Firma schlecht stehe, so daß die Ueberraschung keine sehr große war, als die Nachricht vom Falle durch die Zeitungen verbreitet ward.

Komisch nahm sich daher aus, daß die Ausstattung anatomischer Werke als Ursache nicht vergessen war! || Das Gerücht über Solger ist auch hier kund geworden. Näheres weiß ich nicht, obschon ich von S. wie von Hasse im September Briefe empfing. Daß S. nicht reif ist, halte ich für ausgemacht, und kann es Heidenhein2 nicht verdenken, wenn er die Habilit. beanstandete, wie immer ich auch bedaure, daß Hasse seine Leute so in die Patsche geraten läßt.

Ueber Deine Brussa habe ich mich recht gefreut und danke Dir bestens dafür, ebenso wie Fischer. Hast Du aber den Olymp nicht ähnlich wie einmal auf einem Bilde den Pico d’Teneriffe behandelt, nämlich um 1/3 zu hoch. Er wird (Petermann, 75. VIII.) auf 1930 m. angegeben.

Beifolgend erhältst Du wieder einige Hefte des Mikr. Jour. deren Redaction mich durchaus in Jena lassen wollen: Schreibe Ihnen doch noch einmal. Die Adresse des Dr Lacharius, welche Du mir auf der Reise mitgetheilt hattest, kam mir abhanden; Bitte um gelegentliche Mittheilung.

Beiligendes bitte an Hertwigs zu bestellen.

Nun noch beste Grüße von Haus zu Haus, und den Ausdruck treuer Freundschaft von Deinem

alten

CG.

Von Rabl habe ich nichts erhalten.

a Eingef.: rasch

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.10.1875
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10003
ID
10003