Wilhelmine Sethe an Charlotte Haeckel, Köln, 27. September 1834
Cöln 27 Sept 1834
Meine liebe Lotte!
Bis jetzt habe ich immer noch nicht zum schreiben kommen können, denn obgleich es mir sehr wohl ergangen hat, sind dennoch die Augen wieder diejenigen Theile die die meiste und längste Schonung bedürfen. Heute aber will ich es mal wagen, da ich die gute Gelegenheit durch Herrn Klenze gern benutzen möchte Euch Lieben einige Nachricht von uns zu geben. Christian hat zwar mehreremale geschrieben nach meiner Entbindung, da ich aber von Euch weiß wie kurz und lakonisch seine Briefe meistens sein sollen, so will ich, wo möglich nachholen.
Als Dein lieber Brief an mich ankam, hatte ich schon alles glücklich abgemacht und war trotz der großen Hitze sehr glücklich in meinem Bette, und freute mich meines Wohlseins und meines gar prächtigen Kindes. Und daß es ein Knabe ist war mir gar zu lieb, denn das hatte ich mir sehr || gewünscht. Mit der Amme habe ich es in jeder Hinsicht sehr gut getroffen, so daß ich sagen kann, ich habe in jeder Hinsicht ein sehr glückliches Wochenbett gehalten, wofür ich dem Himmel nicht genug danken kann, indem ich recht besorgt war, denn wenn man mit der Grippe so ins Bette spatzirt darf man sich nicht das Beste versprechen. Nun Gott sei gedankt es ging Alles gut und auch die Kinder haben sich bald wieder erholt. Recht sehr hat es mich gefreut daß Bleeks Christians Brief in Hollstein schon vorfanden, da sie uns in einem miserablen Zustand verließen. Sage ihnen nebst der herzlichsten Grüße, wenn wir dabei bleiben, wie wir jetzt sind, dann dürfe ich hoffen, sie ganz anders wieder zu empfangen, und daß ich auf jeden Fall hoffe daß sie bei ihrer Rückreise über Cöln kommen und bei uns erst von ihrer langen Reise ausruhen. Wie oft gedenke ich Eurer und wie oft sprechen wir von Euch, die er jetzt alle im väterlichen Hause versammelt seid, sehr oft wünschen wir uns zu Euch wenn es auch ein mächtiger Zuwachs wäre, doch wollte ich für mich und die Kinder auch schon verzichten, wenn || der Christian nur da wäre, da er doch nun das einzige Kind ist was dem Vater fehlt. Aber so ist es nun mal in dieser Welta, wenn die Gegenwart auch recht schön ist, dann schlummern doch immer noch Wünsche im Hinterhalt, wodurch sie noch schöner sein könnte. Ach wohl könnte es bei Euch jetzt auch noch schöner sein, wenn die gute Mutter noch unter Euch wäre, gewiß werdet ihr sie schmerzlich vermißen besonders Auguste. Doch weiß der Himmel am besten wie es für uns gut ist und Ihr Lieben dürft Euch die schöne Gegenwart nicht trüben laßen, genießet die Zeit des Zusammenseins recht vergnügt, und wenn ihr dann Alle zusammen seid und recht froh, dann vergeßet unserer nicht, wie oft wir uns zu Euch versetzen und in Gedanken mit Euch leben.
Als ich Herrn Klenze sprach, hatte er eben einen Brief von seiner Frau bekommen, worin sie ihm schreibt, daß sie im Garten mit 13 Kindern wäre: nun das mag Leben genug bringen denn ich weiß [was] meine 5 jetzt schon für Lärm machen können. Das empfinde ich jetzt in diesem Augenblick auf eben keine angenehme || Weise, denn beim Schreiben empfindet man es doppelt, wenn unsere Hülfe so vielfach und jeden Augenblick in Anspruch genommen wird. Helene macht ihre Aufgabe, da weiß sie nicht wie dies oder jenes geschrieben wird, Mimi streikt ihre Zahl und läßt oft Maschen fallen, Heinrich will eine Peitsche gemacht haben und Bertha macht lauter dumme Streiche, zieht den Mädchen die Nadeln aus, oder klettert und fällt und was dergleichen mehr ist. Der kleine dicke Mann ist jetzt noch der Beste, indem er in diesem Augenblick so gut schläft daß er schnarcht (ein Erbstück vom Papa). Christian sagt immer der Junge wäre mein Stolz, jedoch behaupte ich seiner nicht minder, denn Morgens sein erster und Abends sein letzter Gang ist zu ihm. Und doch kann ich wohl mit Recht behaupten daß die Mädchen ihm mehr Spaß machen als die Jungen, besonders ist die kleine Bertha ihm sehr ans Herz gewachsen, wie man zu sagen pflegt. Viel Müh und Sorge macht solch eine Reihe schon, aber doch auch sehr, sehr viel Freude, die man um keinen Preis entbehren möchte. Was haben wir für herrliches Wetter welches wir sämmtlich recht benutzen indem die ganze Familie meist den || ganzen Tag im Garten ist, sobald die ersten Morgenstunden vorbei sind, wo es doch schon recht kühl ist. Soviel Trauben wie es aber dies Jahr hier gibt, und so schön, daß es eine Lust ist, und auch wir halten reiche Erndte in unsern Garten. Wir hatten diesen Sommer sehr viel lieben Besuch, wo es mir dann immer sehr lieb ist daß wir so viel Raum haben, Gäste zu logiren. Drei mal war der Vater schon hier, einmal mit Emilie, einmal zur Taufe, und jetzt hat er mir vorige Woche die Lorchen wieder fort geholt die mir zur Pflege hier war. Dann war Onkel und Tante aus Aurich und Hamm hier und auch Vetter Carl Sethe. Alle waren sehr wohl und machte mir viel Freude sie hier zu sehen. In dieser Zeit ließen wir auch taufen, ich dachte dabei nicht wenig an Heinrichs Taufe, wo die guten Eltern und Geschwister waren, woran ich noch immer großer Freude denke. Was mir sehr viel Spaß macht, ist daß die beiden Jungen sich so gleichen und ganz der Papa werden, und die Mädchen gleichen sich auch wieder. Daß Dir Deine lieben Kinder so viel Freude machen freut mich sehr, und kann es mir sehr wohl denken, wie glücklichb || dieser Kleine Euch macht, denn ein zweites Kind ist doch sehr erwünscht, und noch dazu wenn es solch starkes liebes Kind ist. Deine gute alte Schwiegermutter ist gewiß sehr glücklich über die beiden Enkelchen da ihr eine so schöne Zeit bei ihr zugebracht habt. Deinem Manne wird das Bad hoffentlich recht gut bekommen, und neu gestärkt ins Winterquartier einziehn. Deine Grüße habe ich Alle bestellt und habe Dir gleichfalls viel freundliches zu sagen. Sonntag vor 14 Tagen war Seppenthals silberne Hochzeit, wo wir den Abend mit noch einigen Freunden sehr vergnügt zubrachten. Das Ehepaar war sehr munter ihn habe ich lange nicht so gesehen. Christian hat sogar den Kehraus und auch einen Walzer mit der Seppenthal getanzt, und das ist gewiß ein Zeichen von großer Munterkeit wenn der Christian tanzt. Bei Merems ist alles wohl und beim alten. Bei Neuhaus ist auch alles wohl, Emilie wird bald zurückkommen wozu ich mich recht freue, die wird mir recht viel erzählen müßen, denn hoffentlich hat sie auch alle noch gesehn. Die Präsidentin Delius mit der || Westphal und Ammonen waren hier um nach Laach zu gehn, und waren sehr wohl, auch Lotte Ammon ist da. Grüße Gertrude herzlich von mir und sage ihr, wenn keine ganz gleiche Lampe mit gleicher Glocke zu haben wäre dann hätte ich mich entschloßen gar keine zu nehmen, denn die Glocke gefällt uns gerade so sehr gut.
Gerne plauderte ich noch mehr mit Dir, aber mit einem Male stechen mir die Augen so daß ich enden muß, was mir sehr betrübt ist, indem ich sehe daß ich ihnen trotz der guten Pflege noch nichts bieten darf.
Nun lebe recht wohl meine liebe gute Lotte, der Himmel erhalte Dich mit den Deinigen in stetem Wohlsein.
Grüße Vater und sämmtliche Geschwister viel Tausendmal von uns allen, und seid recht vergnügt und seid versichert daß wir Eurer oft gedenken. Wie freue ich mich auf Bleeks was werden uns die alles zu erzählen haben! Ach liebe Lotte, ich habe Euch Alle gar zu lieb.
Christian und die Kinder grüßen herzlich
Leb wohl
Deine Minchen ||
Da hätte ich bald etwas wesentliches vergessen, Vater schrieb letzt so sehr viel über den Namen Robert warum wir ihn so genannt? Da wir nun eigentlich gar nichts dabei gehabt, so nennen wir in eben so gern Carl oder Julius, wenn es dem guten Papa nur im geringsten lieb wäre. Nun bitte ich Dich herzlich suche ihn darüber auszuforschen und sage mir seine Aussage. Und Bleek sage nebst herzlichen Grüßen, daß wir ihm sehr gern den Tauftag angezeigt hätten, wenn wir ihn selbst voraus gewußt! Denn diesmal haben unsere lieben Gäste ihn bestimmt, weil wir es gern wünschten daß der Kleine während ihres Hierseins getauft werden sollte und so machte sich das sehr rasch.||
Julchen und Gustav sind ziemlich wohl von Nordernei zurück gekommen doch müßten die besten Folgen erst kommen. Onkel Untzer geht es noch immer sehr abwechselnd, sonst ist in Bochum Alles wohl.c
a eingef.: Welt; b Dittographie: wie glücklich; c Nachschrift auf dem linken Rand von S. 1: Julchen und Gustav … Alles wohl.