Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Potsdam, 25. Oktober 1872
Potsdam 25/10 72.
Liebe Agnes!
Obgleich Dein lieber Mann es übernommen hat, Dir mündlich meinen Glückwunsch zu Deinem morgenden Geburtstag zu überbringen, so kann ich es mir doch nicht versagen, Dir noch ein paar Wortte zu schreiben. Mögest Du den morgenden Tag recht heiter und zufrieden verleben; und gebe Dir Gott im neuen Lebensjahr viel frohe gute Tage, vor allem erhalte er Euch gesund und Euer häusliches Glück ungetrübt. ||
An Deinem Geburtstag werden die Gardinen Dich erinnern, wie gerne ich meinen Kindern eine kleine Freude mache; so hoffe ich auch daß die Nachtjacken Dir lieb sind, und den Winter Dich wärmen, ich habe sie gerne für Dich gestrickt, und wünsche nur, daß alle gute Gedanken, die ich dabei hatte, für Dich in Erfüllung gehn. –
Ernstens Hiersein hat mir viel Freude gemacht; ich kann Dir gar nicht sagen, wie lieb es mir war, mal || wieder einige Tage mit ihm leben zu können. Freilich war es mir leid daß seine Frau mit den Kindern in nicht begleitet hatten; dann wäre es viel schöner gewesen. Nun das hat ja nicht sein können, und ich muß wartten bis mein Wunsch in erfüllung gehn kann. Jetzt wird wohl Ernst bei Dir sein, es ist 4 Uhr vorbei, und mir ist der erste wieder einsame Tag so lang geworden, nun ich muß mich wieder darin finden. Wenn nur Ernst bald wieder ganz || frisch sein wird, und die Seinen wohl angetroffen hat. – Mir ist es recht leid, daß Ernst in den letzten Tagen solch starken Schnupfen hatte, und es wurde mir doppelt schwer dadurch, ihn reisen zu lassen, und doch konnt ich ihn nicht bitten, seine Reise zu verschieben, da er zu Deinem Geburtstag gerne bei Dir sein wollte; nun seid nur recht vergnügt, und gebt mir bald Nachricht von Euerem Befinden. – Mit alter treuer Liebe
Euere
Mutter Lotte.