Liebmann, Otto

Bericht des Dekans der philosophischen Fakultät, Otto Liebmann, Jena, 25. Januar 1907

Philosophische Fakultät

der Universität Jena

Jena, den 25. Januar 1907.

Magnifice academiae prorector!

Bericht

der philosophischen Fakultät der

Universität Jena, die Beförderung

Des Privatdocenten Dr. Leonhard Schultze

Zum außerordentlichen Professor betref-

fend.

Mit einem Bericht über die wissen-

schaftlichen Publicationen des Herrn

Dr. Leonhard Schultze.

In ihrer Sitzung am 24. Januar cr. hat die philosophische Fakultät beschlossen die Beförderung des Privatdozenten Dr. Leonhard Schultze zum außerordentlichen Professor in Vorschlag zu bringen.

Herr Dr. phil. Leonhard Schultze ist in Jena am 28. Mai 1872 geboren, als ältester Sohn des Seniors unserer medizinischen Fakultät, Geheimrat Prof. Dr. Bernhard Schultze und seiner Ehefrau, geb. von Egloffstein.

Nachdem er Ostern 1891 am hiesigen Gymnasium die Maturitäts-Prüfung bestanden hatte, studierte er 5 Jahre hindurch Medizin und Naturwissenschaften (speciell Zoologie und Botanik) an den Universitäten Jena, Kiel und Lausanne. ||

Im Februar 1896 wurde Herr Leonhard Schultze von unserer philosophischen Fakultät zum Dr. phil. promoviert, nachdem er das Doktor-Examen mit Auszeichnung bestanden hatte. Die nächsten 2 Jahre verlebte er auf wissenschaftlichen Studienreisen und arbeitete in den zoologischen Museen und Stationen von England, Belgien, Daenemark und Norwegen; in Neapel und Messina lernte er speciell die moderne Seetier-Forschung kennen, im physiologischen Laboratorium zu Berlin die modernen Methoden der Physiologie.

Im Winter 1897/98 habilitierte er sich in unserer philosophischen Fakultät als Privatdocent der Zoologie und übernahm zugleich die Stellung als erster Assistent am zoologischen Institut und als Kustos am zoologischen Museum; die letztere bekleidet er noch gegenwärtig. Sowohl in den zoologischen Vorlesungen, die er mit großem Erfolge hielt, als in den praktischen Kursen (– die er teilweise als Stellvertreter des Derektors im zoologischen Laboratorium hielt –) erfreute er sich der regsten Teilnahme der Studierenden. ||

Da Herr Dr. Leonhard Schultze im Laufe der letzten 12 Jahre teils in engerem, teils in weiteren Kreisen öffentliche Vorträge gehalten und dabei auch schwierigere Fragen höchst anschaulich und klar erörtert hat, ist sein ungewöhnliches und glänzendes Lehrtalent den meisten Mitgliedern unserer Fakultät wohl bekannt. Ebenso offenkundig ist die Tatsache, daß er sich sowohl hinsichtlich seines vielseitigen Talentes, als seines trefflichen Charakters allgemeiner Wertschätzung erfreut.

Der Direktor des zoologischen Instituts Herr Professor || Dr. Haeckel giebt darüber folgendes Urtheil ab: „Ich selbst habe ihn seit 16 Jahren zunächst als Studenten, später als Assistenten und Fachcollegen auf das Genaueste kennen gelernt; insbesondere hatte ich auf der längeren Studienreise, die ich im Frühjahr 1897 mit ihm durch Italien und Sicilien ausführte (– speciell bei den gemeinsamen Arbeiten im zoologischen Laboratorium zu Messina –), vielfache Gelegenheit, mich über seinen wissenschaftlichen Eifer, seine vielseitigen Kenntnisse und seine technisch-praktischen Talente zu freuen. Ich kann auf seine akademische Zukunft nur die besten Hoffnungen setzen.“

„Auf Grund dieser Erfahrungen würde ich, als Prof. Ordinarius der Zoologie und als sein Vorgesetzter, schon längst die Beförderung des Dr. L. Schultze zum Professor Extraordinarius vorgeschlagen haben, wenn seine früheren Publikationen den dafür erforderlichen Umfang erreicht hätten, und wenn nicht seine hiesige akademische Tätigkeit durch eine große 2 ½ jährige Forschungsreise nach Südwest-Afrika (vom Februar 1903 bis zum November 1905) eine Unterbrechung von 5 Semestern erlitten hätte. Auf dieser ergebnißreichen Reise hat Dr. L. Schultze zunächst im Auftrage der Colonial-Abteilung des Kaiserlich Deutschen Auswärtigen Amtes die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen der Fischerei an der südafrikanischen Westküste studiert. Weiterhin hat er aber auch von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften die Mittel erhalten, seine geographischen, ethnologischen und zoologischen Forschungen auf das Innere des Deutschen südwestafrikanischen Schutzge||bietes (Herero-Namaland und Kalahari) auszudehnen. Die reichen Ergebnisse dieser Forschungen werden jetzt in zwei größeren Werken veröffentlicht, von denen der erste Teil der philosophischen Facultät gedruckt vorgelegt, und über welche in der Beilage berichtet wird.“

Die philosophische Fakultät stellt demnach den Antrag:

„Der illustre Senat wolle ihren Vorschlag mit befürwortendem Bericht an die Durchlauchtigsten Erhalter gelangen lassen.“

Hochachtungsvoll

Die philosophische Fakultät

Dr. O. Liebmann

d. Z. Dekan.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
25.01.1907
Entstehungsort
Zielort
Jena
Besitzende Institution
Universitätsarchiv Jena
Signatur
UAJ, BA 923, 149r-150v
ID
47904