Erklärung Ernst Haeckels vor dem Amtsgericht Jena, Jena, 4. Mai 1909

Zu B. R. I. H 31/09

Ausfertigung.

Anwesend

Gerichtsassessor Engelhardt als Richter,

Zacher, als Gerichtsschreiber,

Amtsgericht

Jena, am 4. Mai 1909.

Es erscheint

S. Exzellenz der Wirkliche Geheimrath

Herr Professor Dr. Ernst Haeckel

von hier

von Person bekannt.

Derselbe bekannte sich auf Vorlesen zum Inhalte des nachstehenden Schriftstückes vom heutigen Tage – Anlage A dieses Protokolles – und zu seiner darunter stehenden Namensunterschrift als seiner eigenhändigen.

Dieses Protokoll wurde vorgelesen, von dem Erschienenen genehmigt und || von ihm wie folgt eigenhändig unterschrieben:

Ernst Haeckel

Dr. Prof.

Wirkl. Geheimrat u. Excellenz

Nachrl.

Engelhardt. Zacher

G. Schr.

Anlage A

zum Protokoll vom 4. Mai 1909.

Seit langer Zeit habe ich die Absicht verfolgt, eine öffentliche Schausammlung zu errichten, in welcher die Entwicklungslehre und Stammesgeschichte in übersichtlich zusammengestellten Präparaten, Tafeln, Bildern usw. überzeugend dargestellt und dem Verständnis auch des Nichtfachhandels näher gebracht werden sollte. ||

Mein ursprünglicher Plan ging dahin, diese Schausammlung mit dem Zoologischen Institut hier zu verbinden, welches zu diesem Zwecke erweitert werden sollte.

Ich habe deshalb bereits im Jahre 1865 meine Sammlungen an das Zoologische Museum abgetreten und ihm von da ab auch alle Vermehrungen zugewiesen. Bei Eröffnung des neuen Gebäudes des Zoologischen Instituts am 3. Mai 1884 habe ich dem Institut meine Bibliothek und seitdem auch alle auf die Zoologie bezüglichen Zugänge geschenkt.

Im Jahre 1894, zu meinem 60. Geburtstag, veranstalteten meine Schüler eine Sammlung für eine Marmorbüste von mir. Die Büste und den Überschuss der Sammlung – etwa 10.000 M – wendete ich ebenfalls dem Zoologischen Institut zu.

Das gleiche geschah mit dem Ertrag einer im Jahre 1904, zu meinem siebzigsten || Geburtstag, veranstalteten Sammlung und einer Spende von 10.000 M, die mir damals mein Schwiegersohn, der Geheime Rat Professor Dr. Hans Meyer in Leipzig, verehrte.

Ebenso überwies ich dem Zoologischen Institut den Ertrag meiner schriftstellerischen Tätigkeit, insbesondere das Honorar für meine „Welträtsel“.

Außerdem habe ich dem Zoologischen Institut und damit der Universität Jena mein Archiv, meine Manuskripte, meinen Briefwechsel, meine wissenschaftlichen Tafeln, die von mir gemalten Ölbilder und Aquarelle, alles dies soweit es zur Entwicklungsgeschichte in Beziehung steht, ferner meine Plaketten, Votivtafeln und sonstigen Andenken, sowie meine Portraitgallerie und sonstige Gemälde, insbesondere ein Ölgemälde von Lenbach, ein solches von Gabriel Max und das Pithekantroposbild des Letzteren || endlich meine plastischen Kunstwerke zugedacht und überwiesen und in meiner Eigenschaft als Direktor des Zoologischen Instituts hier für die Großherzoglich und Herzoglich Sächsische Gesamt-Universität Jena in Besitz genommen.

Im Jahre 1904 faßte ich anstelle der Erweiterung des Zoologischen Instituts die Errichtung eines besonderen „Phyletischen Museums“ in den Blick, welches in den Jahren 1907 und 1908 auf Grund und Boden der Universität Jena erbaut, am 30. Juli 1908 zu 350 -jährigen Universitätsjubiläum von mir der Universität übergeben und nunmehr zur Aufnahme der gedachten Sammlungen, Schriftstücke, Kunstgegenstände usw. bereitgestellt ist.

Daneben ist durch zahlreiche Schenkungen ein Kapital von rund 140.000 M zusammengebracht, bei dem Universitätsrentamt hier ein||gezahlt und damit der Universität Jena Eigentum überwiesen, wovon 100.000 M zur Begründung eines Wirtschaftsfonds des Phyletischen Museum und der Rest zur Beschaffung seiner inneren Ausstattung dienen soll.

Zur besonderen Sicherstellung dieser meiner Stiftungen und Schenkungen, welche ich hierdurch ausdrücklich bestätige, erkenne ich die Universität Jena wiederholt als Eigentümerin des Phyletischen Museums, der vorgedachten Sammlungen, Gelder, Schriften, Kunstgegenstände usw., über die ich später noch besondere Verzeichnisse aufstellen zu lassen beabsichtige, an und bestimme inbezug auf die künftige Verwaltung des Folgende:

1; Die Einrichtung und Verwaltung des Phyletischen Museums und die Verwendung des Erträgnisses des Wirtschaftsfonds soll dem jedesmaligen Leiter des Zoologischen Insti||tuts der Universität Jena zustehen.

2; Für meine Lebenszeit behalte ich mir jedoch die drei Zimmer der Ostfront des südlichen Teils des Obergeschosses: das phyletische Archiv, die Bibliothek und das Arbeitszimmer, die beiden kleinen Giebelzimmer der Ostfront des Dachraums, sowie die anstoßende südliche Hälfte des Dachraums zu meiner ausschließlichen Benutzung vor. Die Benutzung der Giebelzimmer und des Dachraums verpflichte ich mich jedoch dem Leiter des Zoologischen Instituts zu überlassen, sobald es das Bedürfnis des Phyletischen Museums oder des Zoologischen Instituts erfordert.

3; In den drei Räumen: dem phyletischen Archiv, der Bibliothek und dem Arbeitszimmer sollen namentlich die Kunstwerke, Manuskripte, Bilder, mein Briefwechsel und sonstige persönliche Erinnerungen Aufstellung finden.

Die Aufstellung behalte ich mir und mei||nen nächsten Angehörigen: meinem Sohn, dem Maler Walter Haeckel in München, und meinen Schwiegersohn, dem Geheimen Rat Professor Dr. Hans Meyer in Leipzig vor, welche über meine Absichten dieser Beziehung vollkommen unterrichtet sind.

Es ist mein Wunsch, dass die Gegenstände, welche in den gedachten drei Zimmern von mir aufgestellt worden sind und noch werden aufgestellt werden, – vorbehaltlich der ordnungsmäßigen Benutzung der Bibliothek – auch nach meinem Tode in der Anordnung verbleiben, welche ich getroffen habe. Ich bestimme deshalb, dass die Überwachung des Inhalts der in Rede stehenden drei Zimmer nach meinem Tode gemeinschaftlich durch meine genannten beiden Angehörigen oder den Überlebenden von ihnen erfolgt.

Meinen genannten Angehörigen soll auch die Entschließung über die etwaige Veröffent||lichung meines schriftstellerischen Nachlasses zustehen.

Sollten zwischen meinen genannten Angehörigen unter sich, oder zwischen ihnen und dem Leiter des Museums Meinungsverschiedenheiten entstehen, so soll dem jedesmaligen Universitätskurator und in zweiter Instanz den Großherzoglich und Herzoglich Sächsischen Regierungen die Entscheidung zustehen.

Jena, den 4. Mai 1909.

Ernst Haeckel

Dr. Prof. W. Geheimrat und Excellenz.

Ausgefertigt

für den

Universitätskurator

Herrn Staatsrat Vollert

Hier

Jena, den 4. Mai 1909.

Der Gerichtsschreiber

Großherzogl. S. Amtsgerichts IV.

Zacher

Brief Metadaten

ID
47766
Gattung
Brief ohne Umschlag
Institution von
Großherzoglich Sächsisches Amtsgericht Jena
Empfänger
Institution an
Der Kurator der Großherzogl. und Herzogl. S. Gesammt-Universität Jena
Entstehungsort
Zielort
Datierung
04.05.1909
Umfang Seiten
9
Umfang Blätter
5
Besitzende Institution
Universitätsarchiv Jena
Signatur
UAJ, BA 1585, 23r-27r
Zitiervorlage
Engelhardt, N.N.; Zacher, N.N. an Vollert, Max; Jena; 04.05.1909; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_47766