Haeckel, Carl Gottlob; Haeckel, Charlotte

Carl Gottlob Haeckel an Anna Sethe, Berlin, 12. September 1859, mit Beischrift von Charlotte Haeckel

Berlin 12 September 59.

Liebe Anna!

Wir sind vorgestern Abend nach 6wöchentlicher Abwesenheit aus Töplitz zurückgekehrt. Lotte fühlt sich zwar um die Füße und Beine fester und sicherer als vor der Abreise (damals meint sie wären sie so schlottrig und unsicher gewesen) aber im Rücken hat sich auch nichts geändert, sie hat 34 Bäder, darunter 10 Douche Bäder genommen und wir müßen nun abwarten, ob sich in den nächsten Monaten ihr Zustand ändern wird? Sie wird sich noch lange sehr ruhig halten müßen, gehen oder schlendern kann sie zwar, aber nicht schnell marschiren. Wir haben unfreundliches Wetter mitgebracht. Die Briefe welche Ernst abgeschickt hat an Bertha, um sie Dir zum Geburtstag zu senden, liegen bei. Ich war gestern Nachmittag in Potsdam, wo sich Bertha ganz selig fühlt. Sie übergab mir Deinen Brief vom 8ten an uns, in welchem Du die Reise auf der Aar beschreibst. Das ist eine sehr schöne Tour, die auch ich mit Lotten durchgemacht habe. Ich gönne Dir den schönen Aufenthalt in Bonn und freue mich, wenn es meinen Lieben gut geht. Ernst habe ich von Teplitz aus nach Messina geschrieben, wo er in diesen Tagen wohl meinen Brief erhalten haben wird. Nun hat er im Juli und August in Italien genug geschwärmt, er mag sich noch Sicilien ansehen und dann Anfang October an die Arbeit gehen, worin ich ihn nicht stören werde und wenn auch Ende Februar nächsten Jahres herankommt. Dann mag era aber zusehen, daß er sich einen äußeren Beruf gründet. Dieser Aufenthalt ist ein großes Geschenk, was ihm geworden ist, mehr werth als wenn er monatelangb auf einem Schiff um die Erde herumgeschwommen [wäre] und doch am Ende nicht den erwarteten Genuß gehabt hätte. Ich weiß, daß eine Reise in die Ferne sehr reitzt und bin selbst nicht frei von dieser Leidenschaft. Aber eine schöne reife südlichec vom schönsten Himmel begünstigte Natur mit afrikanischer Vegetation hat er nun ja doch gesehen und noch stehen ihm 2 große Genüße bevor, der Aetna und Palermo, was ja den südlichsten Charakter im Mittelländischen Meer haben soll. – Wie wird dann der Norden mit den Kiefern, Gebüschen und Sandwüsten schmecken? Sie haben mich vorgestern als wir von Teplitz zurückfuhren schlecht erbaut, ich war wie mit Waßer übergoßen als ich d aus dem schönen fruchtbaren Teplitzer Thal und der anmuthigen Gegend von Dresden in die wüste Gegend von Jüterbock und Luckenwalde kam. Das ist eine schlechte Entrée. Auch das kalt und naße gewordene Wetter machte den Uebergang sehr unangenehm. An der Teplitzer Gegend, f die zugleich sehr fruchtbar ist, habe ich mich sehr geweidet, an Männern und Umgang hat es mir fast gänzlich gefehlt. Dagegen sind wir täglich mit Fr. Cocquerill und Klärchen Freitag zusammen gewesen. Auch habe ich ziemlich viel gelesen.

Nun wünsche ich Dir, meine liebe Anna, zu Deinem Geburtstag, alles Wohlergehen, vor allem, daß unser Ernst recht wohl und gesund zurückkommen möge. Erwarte in Geduld die weitere Entwickelung seines Berufs. Zu seiner Geistes und Charakter-Ausbildung muß seine gegenwärtige Reise wesentlich beigetragen haben. Gott erhalte Dich gesund und wohl und gebe seinen weitern Seegen. Dein Alter

Hkl. ||

[Beischrift von Charlotte Haeckel]

Liebe Anna!

Gottes reicher Seegen zu Deinem Geburtstag; sei recht heiter und denke daß es Ernst Freude macht, wenn er Dich glücklich weiß. Gebe Gott, daß Dir das neue Lebensjahr viel Schönes bringt, vor allem möge unser Ernst recht gesund zurückkommen; und mögest Du lange und glücklich mit ihm leben.

Daß Du Dich bei Bleeks so wohl fühlst, freut mich herzlich, mir ist es auch dort immer so wohl gewesen, ich kann mir aber das Haus gar nicht ohne den treuen Bleek denken; nun was Gott schickt muß gut sein. Für Tante Bertha freue ich mich sehr, daß sie so glücklich in Potsdam ist; aber mir war es eigen so niemand hier in Berlin zu finden. Gestern früh kam die gute Mutter Reimer einen Augenblick herauf, und Nachmittag besuchte mich Tante Julchen v. Untzer ein Stündchen, sie sah sehr wohl aus, und meinte Gustav habe die Reise sehr gut gethan, auch sie fühle sich jetzt besser, habe aber bei ihrer Ankunft geglaubt ernstlich krank zu werden. ||

Für Deinen Brief, liebe Anna, danke ich Dir recht schön. Grüsse mir Tante Auguste und alle Kinder aufs herzlichste. – Von Freienwalde haben wir lange [nichts] mehr gehört. – Auf Dein Wiedersehn freut sich Deine alte Mutter.

a eingef.: er; b eingef.: lang; c eingef.: südliche; d gestr.: in die wüste; e eingef.: und naß; f gestr.: hab

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
12.09.1859
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 44144
ID
44144