Vollert, Max

Max Vollert an Ernst Haeckel, Jena, 21. Juli 1909

[Protokoll des Vergleichs zwischen Ernst Haeckel und Ludwig Plate, die Beilegung ihres Kompetenzkonflikts hinsichtlich des Phyletischen Museums betreffend, Jena, 21. Juli 1909, mit den nachträglichen Abänderungen Plates]

Abschrift.

Jena, den 21. Juli 1909.

Die Verhandlung, zu welcher

Seine Exzellenz Herr Wirklicher Geheimer Rat Professor Dr. Haeckel und

Herr Professor Dr. Plate

hier behufs Beilegung der zwischen ihnen bestehenden Streitpunkte durch den Universitätskurator Staatsrat Dr. Vollert eingeladen waren, hatte folgendes Ergebnis.

1.

Exzellenz Haeckel legte dar, dass er am 3. Mai 1884 aus Anlass der Feier des 25 jährigen Bestehens des Zoologischen Instituts diesem seine gesamte zoologische Bibliothek geschenkt und ihm auch später alle ihm – Exzellenz Haeckel – zugegangenen Werke, (Bücher, Broschüren, Atlanten usw.) überwiesen habe;

dass er sich mit Rücksicht hierauf und auf die Sonderstellung, die er der Universität Jena gegenüber einnehme, für ermächtigt gehalten habe, Bücher, die auf Kosten des Zoologischen Instituts oder der Ritter-Stiftung angeschafft worden seien, zum Tauschverkehr zu verwenden, oder auch an Förderer des Zoologischen Instituts oder des Phyletischen Museums, insbesondere solche, welche grössere Geldsummen, wertvolle Veröffentlichungen oder Sammlungsgegenstände gestiftet hätten, oder zu stiften beabsichtigten zu verschenken.

So sei es möglich, dass ein Teil der von Herrn Professor Dr. Plate verzeichneten, auf Kosten des Zoologischen Instituts oder der Ritterstiftung angeschafften Bücher* fehle. Drei oder vier der in dem Verzeichnis aufgeführten Werke seien übrigens in dem Zoologischen Institut noch vorhanden und werden nur besonders aufbewahrt.

Der Wert der verschenkten Bücher komme den Vorteilen gegenüber, welche auf diese Weise dem Zoologischen Institut und dem Phyletischen Museum verschafft worden seien, nicht entfernt || in Betracht.

Exzellenz Haeckel wird die wenigen1) in seiner Privatwohnung befindlichen Bücher, welche Eigentum des zoologischen Instituts sind, diesem in Kürze zurückgeben.

Er gibt weiter den Plan, eine besondere phyletische Bibliothek im Phyletischen Museum zusammenzustellen, auf und wird, sobald er Zeit zu findet,2) über alle im Phyletischen Museum befindlichen Bücher Bestimmung treffen. Die innigen Bestände, welche für das Zoologische Institut von Interesse sind, wird er dem Institut zu teilen. Einen anderen Teil, hinsichtlich dessen dies nicht der Fall ist – es handelt sich in der Hauptsache um Werke philosophischen Inhalts – wird er der Universitätsbibliothek überweisen.3)

Wegen der Lieferungswerke, welche noch nicht abgeschlossen sind, soll ein Übereinkommen über die etwaige Fortführung getroffen werden.

Herr Professor Dr. Plate erklärte sich durch diese Auskünfte unter der Voraussetzung für befriedigt, dass die Regierungen der Erhalterstaaten Exzellenz Haeckel wegen der bisherigen Verwaltung des Zoologischen Instituts und des Phyletischen Museums Entlastung erteilen und ihm in dieser Beziehung von jeder Verantwortlichkeit befreien.

2.

Herr Professor Dr. Plate erklärte, dass er bei den Eindrücken, die er bei dem Antritt seiner hiesigen Stelle gehabt habe, zu der Annahme gekommen sei, es sollten die ihm erteilten Zusicherungen nicht gehalten werden, und dass ihn dies zu der Äußerung veranlasst habe, es werde falsches Spiel mit ihm getrieben und es sei ihm großes Unrecht zugefügt worden.

Nach den ihm zuteil gewordenen Aufklärungen erkenne er an, dass nur ein Missverständnis bezüglich der gegenseitigen Auffassungen vorgelegen habe und dass er Exzellenz Haeckel den Vorwurf böswilligen Verhaltens ihm gegenüber in keiner Weise machen könne. 4)

3. 2

Exzellenz Haeckel behält sich nach wie vor die Einrichtung und Verwaltung des „Phyletischen Archivs“ vor, d.h. derjenigen drei Räume, welche im ersten Stockwerk des Phyletischen Museums gelegen sind und von denen das erste zu einem Gedenksaal, das zweite zu einem Bildersaal ausgestaltet werden, das dritte Arbeitszimmer bleiben soll.

Er spricht den Wunsch und die Erwartung aus, dass diese drei Zimmer auch noch [nach] seinem Tode in der Anordnung verbleiben, die er ihnen geben wird.

Von einer Überwachung durch seine Angehörigen will er abgesehen wissen. Die Überwachung soll vielmehr dem jeweiligen Universitätskurator zustehen, welcher sich des sachverständigen Beirats des jeweiligen Ordinarius der Anatomie bedienen soll. Den Herrn Geheimen Hofrat Professor Dr. Maurer wird Exzellenz Haeckel wegen der Einzelheiten, soweit nötig, unterrichten.

Exzellenz Haeckel bittet die Großherzoglichen und Herzoglichen Sächsischen Staatsministerien, auch ihrerseits die Erfüllung seines Wunsches zu gewährleisten.

Im übrigen überlässt Exzellenz Haeckel Herrn Professor Dr. Plate die vollkommen selbstständige Einrichtung und Verwaltung des Phyletischen Museums, abgesehen immer von den vorgedachten drei Räumen.

Exzellenz Haeckel überlässt Herrn Professor Dr. Plate auch die Verfügung über den zur Einrichtung des Phyletischen Museums ausgeworfenen Betrag von 45 000 M und über den Abwurf des Unterhaltungsfonds.

Es besteht Einverständnis darüber, dass die Donatorentafeln│ in ihrer jetzigen Anordnung verbleiben, sowie weiter darüber, dass auch in Zukunft die Namen von Gönnern des Phyletischen Museums, welche diesem Spenden im Wert von 10 000 M und mehr zuweisen, auf diesen Tafeln Aufnahme finden.

4. 3

Exzellenz Haeckel wird in einer der hiesigen Zeitungen eine Aufforderung erlassen, dass Rechnungen über Arbeiten und Lieferungen für das Phyletische Museum aus der Zeit bis 1. April d. J. Binnen zwei Wochen an ihn gegeben werden.

5. 4

Herr Professor Dr. Plate erklärt sich damit einverstanden, dass der Gelehrte Schmidt hier gemäß des von dem Donator Knaupp bei seiner Spende gestellten Vorbehalts aus dem Abwurf dieser Spende für die fünf Jahren 1909 bis 1913 ein Stipendium von jährlich 500 M erhält.

6. 5

Exzellenz Haeckel wird Herrn Professor Dr. Plate die Akten des zoologischen Instituts und des Phyletischen Museum, soweit sie in seinem Besitz sind, ausantworten und in Bezug auf die Sammlungen und das Arbeitsmaterial des Zoologischen Instituts ihm jede gewünschte Auskunft mündlich erteilen.

6.

Exzellenz Haeckel und Professor Plate erklären hierdurch die zwischen ihnen entstandenen Streitigkeiten für ausgeglichen und unterschreiben zum Zeichen dessen diese Niederschrift.

[Bemerkungen Ludwig Plates]

* (nach Angabe des Prof. Plate fehlen ca. 300 Bände im Werte von ca. 4 700 M)

1) Bitte „wenigen“ zu streichen, da ich überzeugt bin, dass es sich um eine große Zahl, mindestens 150 Bände handelt.

2) muss gestrichen werden, damit die Sache nicht sich hinauszieht. Ich bitte, statt dessen zu schreiben „im Lauf des August u. September 1909“

3) Hier ist einzuschieben: Herrn Prof. Plate steht das Recht zu, von diesen für die Universitätsbibliothek in Aussicht genommenen Werken alle diejenigen an die Bibliothek des zoolog. Instituts als deren Eigentum abzuführen, welche nachweislich aus dem Fonds des zoolog. Instituts angeschafft worden sind.

4) Dieser § 2 ist so umzuändern, dass er unsere Verhandlungen genau wiedergiebt. Er sollte heissen: „Exc. Haeckel leistet Abbitte dafür, dass der die Prof. Plate gegebenen Versprechen nicht gehalten hat und Prof. Plate zieht daraufhin den Vorwurf zurück, dass falsches Spiel mit ihm getrieben worden sei.“

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.07.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
Universitätsarchiv Jena
Signatur
C 641b, Bl. 106r-107v
ID
41507