Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Potsdam, 23. April 1884

Potsdam 23/4 84.

Liebe Agnes!

Eine große Freude hast Du mir durch Deinen lieben Brief gemacht und ich danke Dir aus vollem Herzen dafür. Daß Dich noch immer die Erkältung [nicht] verlassen hat, thut mir leid, sonst waren ja Gott sei Dank die übrige Nachrichten gut, besonders erfreut es mich, was Du über Walter schreibst und ich freue mich mit Dir, daß Du ihn mal wieder bei Euch hattest.

Dann danke ich Dir herzlich für Deine liebevolle freundliche Aufforderung zu Euch zu kommen. Wie gerne thäte ich es; das ist ja noch das Einzige Schöne vom Leben, wenn ich mit meinen Kindern und Enkel sein kann. ||

Seit einigen Tagen wurde mein Schreiben verhindert, und nun ist es mir so schwer, den abgerissenen Faden wieder anzuknüpfen. Ist es mir doch so schwer, darauf zu verzichten, zu Euch zu kommen, und doch ist es so: doch was einmal nicht sein kann, darin muß ich mich finden; wenn die Kräfte so schwinden, dann muß man lernen, auch auf die liebsten Wünsche zu verzichten: entbehre ich doch am meisten: wie wenig werde ich meine Jenenser Kinder und Enkel sehn, und wie wohl wird es mir, wenn ich mich mit Ernst und seiner lieben Agnes aussprechen könnte; und da ist es meine große Bitte, daß Ihr mich || so bald Ihr könnt mal besucht, ich weiß wohl, daß Ihr mir ein großes Opfer bringt wenn Ihr aus Euerem schönen Heim kommt.

Aber die Kinder müssen mich auch, wenn ich länger leben muß besuchen, mir ist es so traurig, daß ich sie so lange nicht gesehn, und daß ich bei Euch so unwohl war, daß ich mich gar nicht mit ihnen beschäftigen konnte. Und doch erfreut es mich noch daß ich die schönen Räume kenne, und in Gedanken darin bei Euch sein kann. Walter habe ich lange nicht gesehn, und wie sehr ich mich auch freuen würde, wenn er mich besuchte in den Ferien, so wirst Du ihn dann nicht gerne fortlassen. ||

Hier war im Hause in der letzten Zeit mancherlei, was das Herz bewegt: die Niederkunft von Minna war doch sehr schwer; ich halte es für ein Glück, daß Heinnricht grade hier ist. Mir ist es lieb auch Heinnrich mal so zu sehn, wie er seinen Beruf erfüllt. Er ist auch heute mit Minnas Befunden zufriedener. –

Am nächsten Mittwoch wird Anna erwarttet. Wie werden sich da nur alle Verhältnisse gestalten? – – – – ||

Meine Schwester Bertha hat mir in der letzten Zeit viel Sorge gemacht, Quincke hatte auch gemeint sie solle gleich machen, daß sie die Kur in Münster am Stein anfange, von dort hatte ich heute eine Karte, die mir ihre glückliche Ankunft verkündet. Nun möge es ihr so gut bekommen wie schon früher. Doch nun bin ich fertig kann nicht mal mehr an meinen Ernst schreiben den Du, wie auch Deine Schwester Clara und die Kinder grüssen mußt von der Alten, wie immer in Liebe Euere

Lotte Häckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
23.04.1884
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36977
ID
36977