Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Potsdam, 1. August 1883

Potsdam 1/8 83.

Liebe Agnes!

Eben erhalte ich von Ernst aus Gera eine Postkarte mit der Anfrage ob sein letzter Brief mit einem von Dir angekommen sei. Die Antwort hierauf kann ich ihm nicht selbst zukommen lassen, da ich seine Adresse nicht weiß, ich hätte ihm sonst gerne noch einen Gruß zur Reise zu kommen lassen, mit der Bitte recht vorsichtig zu sein. Wenn Du ihm schreibst, so sei so gut und sage ihm: gestern habe ich diese Briefe erhalten; aber so spät, daß meine Ant-||wort in Jena ihn nicht mehr treffen konnte. Möge ihm die Reise gut bekommen und er bei seiner Heimkehr seine Lieben alle gesund antreffen. Daß Ihr, Lieben alle mit Erkältung zua thun hattet, ist mir leid; aber kein Wunder bei dem schroffen Witterungswechsel. Nun haltet Euch nur recht frisch, denn Gesundheit und Kräfte werdet Ihr brauchen können zu den Arbeiten die Euch die nächste Zeit bringen wird. ||

Daß die Vorbereitungen zum Umzug Dich schon viel beschäftigen, liebe Agnes, kann ich mir denken; für mich ist es betrübend, daß mir dadurch die Freude, Dich und die Kinder zu sehn genommen ist. – –

Hier im Hause ist es jetzt recht still und einsam: unten ist nur noch Marichen mit Siegfried. Karl wird erst künftigen Dienstag zurückerwarttet, doch haben wir von ihm bis jetzt gute Nachrichten. Marichen ist jetzt die meiste Zeit bei Anna draussen, die leider noch sehr der || Schonung bedarf, ihre Schwägerin, die sie so liebevoll pflegte, ist leider gestern abgereist, sie konnte nicht länger bleiben. – Herrmann ist mir seiner Frau zurück, vorigen Sonntag war das junge Paar bei mir zu Mittag. Ernst war auch hier ist aber heute abgereist nach Dresden, wo er eine Stelle in einer Handelsgärttenerei antrit, bis er später in die Gärttenerlehranstalt in Potsdam aufgenommen werden kann. – ||

Du siehst wie einsam und still mein Leben jetzt ist, immer allein mit den Sorgen und Gedanken, die das Alter bringt. Nun wenn nur mir mein Hauptwunsch für dieses Leben in Erfüllung geht; daß meine Kinder und Enkel alle brave Menschen werde, die ihren Beruf hier auf Erden mit gewissenhafter Treue erfüllen, und möge Gott gedeihen geben, daß es ihnen leidlich wohl gehe. ||

In den nächsten Tagen wird wohl Bertha vom Rhein zurück und zu mir kommen, worauf ich mich sehr freue. Nach ihrem letzten Briefen ist sie mit ihrer Badekur zufrieden.

Wie viel sind meine Gedanken oft bei Euch, Lieben, und wie gerne möchte ich so manches mit Dir besprechen; doch dazu sind ja zu nächst gar keine Aussichten. – –

Sei so gut, liebe Agnes und theile mir ja mit wenn Du Nachrichten von Ernst || bekommst. Gebe Gott das es immer Gute sind.

Mit dem herzlichsten Gruß an Dich und die Kinder wünscht Dir eine gute Nacht

Deine

alte Mutter

Lotte Häckel

Ist auch Sorge getragen, daß Euer Haus recht austrockenet ehe Ihr einzieht?

Georg und Julius laß ich auch herzlich grüssen.

a korr.: ha

Brief Metadaten

ID
36958
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
01.08.1883
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
7
Umfang Blätter
4
Format
14,2 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36958
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Agnes; Potsdam; 01.08.1883; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36958