Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Berlin, 3. – 5. August 1871

Berlin 3/8 71.

Liebe Agnes!

Eine große Freude hast Du mir durch Deinen lieben Brief gemacht, und ich wollte Dir gleich nach Empfang vorgestern danken, aber ich konnte nicht zum Schreiben kommen. Meine innigen Wünsche für Dein Wohl sind oft bei Dir in Nauheim gewesen; und von Ernst hatte ich wohl von Deinem Ergehen gehört: wie leid that es mir, daß Deine Cur Anfangs durch Erkältung unterbrochen war, auch hatte Ernst mir später gesagt, daß es Dir wieder besser ging; aber || besonders lieb ist es mir, daß ich nun von Dir selbst Nachricht erhalten habe, und daß diese doch im Ganzen befriedigend ist. Daß Dir die Trennung von Mann und Kindern schwer ist, kann ich mir denken; aber Du mußt doch nun mit Geduld aushalten, und immer an das Ziel denken, daß Du gesund und kräftig zu den Deinen heimkehrst. Das gebe Gott Dir und Ernst, dann wird um so schöner sich Euer häusliches Glück gestalten; es ist für Dich eine schwere Prüfung gewesen, || daß Du so lange durch körperliche Leiden in allem gehämmt warst, nun wir wollen hoffen, daß Du mit frischem fröhlichen Muth wieder zurückkommst, und in Deinem Hause alles nach Wunsch findest. Seit 14 Tage habe ich nichts von Jena gehört; bis dahin war Ernst und die Kinder gesund, und ich hoffe, daß Du sie auch so finden wirst, wie glücklich wird Ernst sein, wenn Deine Schmerzen vorüber sind. Wohl begreiffe ich, wie viel Sorge Du um das Unwohlsein Deiner || lieben Mutter gehabt hast; und ich freue mich, daß es ihr wieder besser geht, bei dem nun wärmeren Wetter wird sie sich hoffentlich bald ganz erholen. –

Du wünschst, daß ich Dir von unserem Ergehn berichten soll: gesund sind wir; aber viel Sorge haben wir gehabt um die Potsdammer Kinder. Karl hat mit den beiden ältesten Söhnen eine Fußreise im Harz gemacht; wovon die beiden || Jungen am vorigen Freitag zurück gekehrt sind, Karl aber erst am 10 beim Schluß seines Urlaubs zurück kommen wird. In Karls Abwesenheit hat Clara nun recht schweres durch zu machen gehabt: ganz plötzlich war der kleine Ernst erkrankt an der Diphtheritis; zugleicher Zeit hatte Georg liegen müssen wegen eines kleinen Geschwürs; und dann hatte Georg Stickhusten || bekommen. Der Arzt hatte verordnet Luftveränderung; so ist seit Dinstag der Junge bei uns.

Sonnabend 5/8. Vorgestern konnt ich nicht fertig schreiben, wie ich ja überdies jetzt sehr schwer zu etwas komme, theils ist meine Zeit eingetheilt für Häckel oder ich muß für den Jungen sorgen, jetzt eben habe ich ihn zu Bette gebracht, und da will ich die paar Augenblicke, die mir noch vor dem Abendbrod bleiben, dazu benutzen mit Dir zu plaudern; kann ich Dir doch gute Nachrichten geben von Jena, || gestern bekam ich ein paar Zeilen von Ernst, der mir schreibt, daß er mit den Kindern gesund ist; nur fehlt ihm die Frau, von der er aber gute Nachrichten habe. – Hier in Berlin ist es sehr still; alle Welt ist verreist. Tante Bertha war in Bertrich und wollte am 2ten nach Bonn, wann sie zurückkommt ist noch nicht bestimmt. Julius ist mit seinen Töchterchen in der Schweiz, Jacobis sind in Landeck. – Von Clara hatte ich gestern ein paar Zeilen, darnach ist doch Ernst auf der Besserung, er würde wohl heute oder morgen aufstehn dürffen; der arme Schelm hat 14 Tage || das Bett hüten müssen. Gebe Gott, daß nun bald alles besser wird; bei Georg ist der Husten Nachts schlimmer als bei Tage, ich habe ihn deshalb bei uns in der Schlafstube. –

Wie sehr, meine liebe Agnes freue ich mich Dich mit Ernst und den Kindern bei uns zu sehn, das wird mir eine große Erquickung sein. Grüsse Deine liebe Mutter herzlich von mir. Gott sei mit Dir. –

Vater grüßt Dich herzlich. Mit treuer Liebe

Deine

alte Mutter Lotte.

Brief Metadaten

ID
36417
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
05.08.1871
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
14,1 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36417
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Agnes; Berlin; 05.08.1871; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36417