Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Berlin, 12. März 1871

Berlin 12/3 71.

Liebe Agnes!

Von einem Tage zum andern habe ich gehofft von Dir Nachricht von unserem lieben Ernst zu erhalten; bei seiner Abreise sagte er mir: er würde mir nicht direkt schreiben, ich würde von Dir alles erfahren. Nun ist er schon 8 Tage weg und ich höre nichts. Sein Hiersein war so kurz, und er so beschäftigt mit Briefschreiben etc, daß ich ihn nicht recht gesprochen habe.

Von ihm hörte ich nun daß Du noch immer || nicht gesund bist, er beruhigte mich wohl damit, daß Deine Krankheit nicht gefährlich, aber schmerzhaft sei, und da thust Du mir sehr leid; doch, meine liebe Agnes, muthlos darfst Du nicht sein; versuch es nur mal recht fest den Gedanken zu halten; daß uns auch Krankheiten als Prüffung von Gott geschickt werden; daß wir lernen sollen, alles, was uns trifft mit Ergebung und Gott-||vertrauen zu tragen; der es schickt, wird uns auch Kraft geben, wenn wir mit kindlichem festen Vertrauen das unserige thun; und nicht verzagen. –

Wohl ist es mir eine große Beruhigung, daß ich Dich in so liebevoller Pflege Deiner Mutter und Schwester weiß; aber Du, meine liebe Agnes, mußt auch das Deinige thun, daß Du bald wieder gesund wirst; wenn Du nur erst wieder wirst arbeiten können, dann wirst Du auch wieder muthiger dem Leben entgegen gehn; orndliche || Thätigkeit hilft am beßten über körperliche Leiden weg. –

Hoffentlich höre ich bald, daß es Dir besser geht, und was die Kinder machen? Mir war es so schmerzlich, daß Du nicht mal bei der Taufe Deiner kleinen Emma hast sein können.

Hat Ernst Dir keine Adresse angegeben, wohin man ihm Nachricht geben kann? Bitte schreibe es mir doch. – Wenn ich Dir Cakao oder sonst was zu Deiner Erquickung schicken soll, so sage es ja. ||

Wir waren in den letzten Tagen in rechter Sorge um meine Schwester Auguste Bleek, die schwer erkrankt ist, und wenn es auch nach der letzten Nachricht etwas besser war, so ist es doch noch immer bedenklich; Gott helfe durch alles; an schweren Prüffungen ist kein Mangel. Mit Berthas Fuß fängt es an besser zu gehn. – Vater hat viel Husten und Schnupfen, sonst || geht es ihm leidlich.

Deine liebe Mutter und Clara bitte ich freundlich zu grüssen; und Deinen Kindern gieb einen Großmütterlichen Kuß von mir.

Gott gebe, daß Ernst die Reise glücklich zu rück legt, und dann erfrischt und heiter zurückkommt, und seine Frau und Kinder gesund findet. Mit herzlicher Liebe

Deine

alte Mutter

Lotte.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.03.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36397
ID
36397