Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Berlin, 19. September 1870.

Berlin 19/9 70.

Liebe Agnes!

Hab herzlichen Dank für Deinen heute erhaltenen Brief und die Zusendung von Ernstens Reisebericht, letzteren habe ich gleich an Karl geschickt, da ich denke er wird sich freuen von seinem Sohn zu hören. Wohl hat unser lieber Ernst viel Trauriges gesehn, ich dachte mir wohl, daß es ihn tief bewegen würde, in Euerem stillen Jena wißt Ihr || gar nicht, wie schmerzlich es ist, so viel Verwundete zu sehn. Nun wir wollen Gott danken, wenn wir unseren Ernst erst bei uns haben. Ich hatte mir schon ehe ich Deinen Brief erhielt vorgenommen, Dir heute zu schreiben, da Karl gestern einen Brief von Ernst erhalten hatte noch ehe er die Reise in den Schwarzwald gemacht hatte. – –

Wir waren gestern zur Taufe in Pots-||dam; ich fand es etwas früh, der kleine Max ist erst 3 Wochen alt; Clara hatte es aber so gewünscht, daß er an ihrem Hochtzeitstag solle getauft werden. Clara sieht sehr wohl aus, und der Junge kräftig und gesund. Wir waren früh um 10 Uhr nach Potsdam gefahren, weil Vater sich denn noch dort ausruhen konnte, mir war es auch sehr lieb, einige Stunden zu ganz ungestört mit Clara || sein zu können, da ich sie und das Kindchen ja noch gar nicht gesehn hatte. Die übrigen Taufgäste kamen Nachmittag um 3½ Uhr. – Claras Bruder Prediger Liscow, taufte. Seine Frau, eine Tochter und ein Sohn waren mit dort, dann Claras Onkel Müller, die alte Tante, August Jacobi und Helehne, Claras Schwägerin Frau Professor Hercher mit ihrem Mann, Tante Bertha, Onkel Julius mit Bertha Pine, der Potsdamsche Arzt, Häckel. Ich habe Dir || die anwesenden Pathen unterstrichen; die a abwesenden Pathen waren: Mutter Minchen, Ernst (den ich gar zu gern bei uns gehabt hätte), dann der kleine Karl, eine Tochter von Claras Schwester, die Du auch bei der Hochtzeit gesehn hast, wie die übrigen Verwandten Claras, die bei der Taufe waren. –

Von ihren Potsdammer Bekannten stand Frau St. Gevatter, die aber zu Claras Bedauern verreist war, also nicht dabei sein konnte. Um 4 Uhr war die Taufhandlung und || dann blieben wir noch bis 7 Uhr beisammen, es war recht gemüthlich und nett, die Kinder alle frisch und fröhlich, sehr erfreut über den kleinen Bruder. Nun willst Du gewiß auch wissen, wie die körperliche Bewirthung war, also es gab: 1) Kaffe und Chokolade mit Kuchen und Zwieback, dann Eis, Brünnertorte, Wienertorte, Wein und Pfirsigbohle. – Vater machte es viel Spaß Gevatter zu stehn; aber zuletzt || verlangte er sehr zu Hause. Er ist es ja gar nicht mehr gewohnt unter soviel Menschen zu sein; doch sagte er noch heute beim Fahren: es hat mir doch ungemein viel Freude gemacht gestern wieder alle Kinder zu sehn. –

Daß Du, meine liebe Agnes mit unsern Putchen gesund bist freut mich sehr. Grüsse Deine liebe Mutter und Clara, der ich gute Besserung wünsche, herzlich von mir; Vater grüßt Dich herzlich. – || Sehr habe ich mich gefreut, daß Du Dich jetzt gerne und öfter mit Frau Gegenbauer siehst, ich knüpfe daran die Hoffnung, daß Ihr künftig etwas mehr geselligen Verkehr haben werdet. –

Eben fragt Vater, an wen ich schreibe und auf meine Antwort sagte er: wird Agnes uns denn nicht einmal besuchen? – –

Gott behüte Dich und Dein Kind, haltet Euch munter. –

Wie immer

Deine

alte Mutter

Lotte.

a gestr.: nicht

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
19.09.1870
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36192
ID
36192