Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Berlin, 13. April 1870
Berlin 13/4 70.
Meine liebe Agnes!
Obgleich Dir Ernst von uns Nachricht bringt, und von dem Ernsten, was wir miteinander erlebt haben Nachricht bringt, so drängt es mich doch Dir schriftlich einen Gruß zu senden. Zunächst danke ich Dir herzlich für Deinen lieben Brief. Deine Theilnahme that mir wohl, Tante Gertrude hatte Dich auch recht lieb gewonnen. –
Wenn wir ja auch Gott von Herzen danken müssen, daß || sie von den schweren Körperleiden erlöst ist, so wird uns allen doch ihre Liebe und Theilnahme fehlen, und eine schmerzliche Lücke hat unser Leben erhalten.
Daß unser lieber Ernst bei uns sein konnte, ist mir ein großer Trost gewesen; und wenn er auch hier, wie ja immer, in Arbeiten vertieft war, so habe ich mich doch sehr daran erquickt, ihn so heiter und glücklich zu sehn; Gott erhalte und mehre Euer || häusliches Glück, vor allem gebe er Euch viel Freude an Euerem Kindchen. –
Daß Deine liebe Mutter und Du mit ihr viel ruhiger seid, seit Otto zurück ist und an Ort und Stelle alles erfahren hat, kann ich mir denken; ist doch die Ungewißheit so quällend. –
Wir haben auch wieder ernste Stunden heute verlebt: Claras Neffe in Potsdam ist heute Nachmittag gestorben. –
So schmerzlich es auch ist, wenn solch junger Mann, er ist nur 24 Jahr geworden, stirbt, || so muß man leider seinen Heimgang für eine Wohlthat halten, denn er war so krank, daß an keine Besserung zu denken war. –
Recht oft, meine liebe Agnes, habe ich Dich mit Walter hergewünscht; und ich hoffe sehr darauf Euch den Sommer zu sehn. Ernst ist zu Reimers und zu Doctor Börner, indem ich auf seine Rückkunft wartte, habe ich die paar Zeilen an Dich geschrieben. Behalte lieb
Deine Mutter Lotte.