Gudrun Felser an Gustav Herold, Graz, 10. April 1919

Graz 10/4.1919

Sehr geschätzter Herr Herold!

Eine Karte von mir wird bereits in Ihren Besitz sein & Ihnen gesagt hat [!] von unserem treuen Denken an Sie. – Da mein Sohn zu Kriegsbeginn einrücken mußte, verliess er Frankfurt, & meine often [!] Fragen nach Ihnen sehr werter Herr Herold, blieben unbeantwortet – ich hörte sogar einmal, daß Sie dieser schnöden Welt den Rücken gekehrt hätten. – Als nun mein Sohn nach Abrüstung wieder in Frankfurt eintraf bat ich ihn, doch nach Ihnen zu forschen. – Meine Freude daß er Sie (respektive Ihre Adresse vorläufig) gefunden, || daß Sie leben & gesund sind, erfüllt mich mit großer Freude. Ebenso, daß Sie Ihren 80. Geburtstag froh & gefeiert & gewürdigt feiern konnten. –

Meine Alpenblumenkarte wird Ihnen mein bestes Wünschen für Sie übermittelt haben, doch heute füge ich noch den Wunsch bei, daß es Ihnen lieber Freund noch vergönnt sein möge, die Wiedergeburt eines neuen deutschen Reiches erleben zu können, das Aufblühen zu erneuter Kraft & Größe. – Sagen muß ich Ihnen auch noch, daß ich & meine Familie oft & oft Ihrer gedenken, & der großen Liebenswürdigkeit mit der Sie damals mir entgegenkamen & die beiden „Häckel“ mir spendeten. Büste & Statuette sind noch bei mir & grüßen mich täglich, täglich mich erfreuend. So denken wir Ihrer || & unseres guten Häckel’s, der auch so viel Anfeindungen & Undank erleiden mußte. Ich hätte des öfterena gerne unserm lieben Geistesführer ein Zeichen gegeben daß in Österreich noch treue Herzen schlagen für ihn, doch, hielt mich früher die Bescheidenheit ab mich den Vielgeehrten zu nähern, so sind die jetzigen Verhältnisse erst recht erschwerend. – Wenn Sie sehr geehrter Herr Herold an Häckel, respektive dem Herrn Geheimrat einmal schreiben, bitte legen Sie ihm das Bildkärtchen von Goisern bei, das ihm ein treuer Gruß sein soll aus ferner Zeit, aus den köstlichen Tagen in Goisern, mit Deubler u.s.w. Die Heimat Deubler’s ist ja auch die meine, denn ich bin ein Ischler Kind, & erinnere mich sogar noch an Deubler, der ein Freund, Gesinnungsfreund, meines Vaters war. –

Sehen Sie werter Herr Herold, das ist das Herrlichste was uns wird || & werden kann, – die Erkenntnis, daß „nichts verloren geht dem All“ & daß der Geist unsterblich. –

So schwingt sich unsere Seele empor über Erdenlast & Gemeinheit & labt sich am himmlischen Licht. – Darum lebe das Wahre, das Gute, das Schöne! –

Ich würde mich sehr freuen von Ihnen sehr geschätzter Herr Herold einmal zu hören. – Mein Sohn schreibt mir daß er Sie einmal aufsuchen wird, er wird Ihnen unsere Grüße bringen & kann Ihnen erzählen wie auch uns der Krieg viel Schmerz & Kummer brachte.

Ich begrüße Sie in Gesinnungstreue & dankbarer Erinnerung

Ihre

A. Gudrun Felser

Graz Ruckerlberggürtel 17.

a eingef.: des öfteren

Brief Metadaten

ID
2147
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Österreich
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreich-Ungarn
Datierung
10.04.1919
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
11,2 x 17,6 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 2147
Zitiervorlage
Felser, Gudrun an Herold, Gustav; Graz; 10.04.1919; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_2147