Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur, Würzburg, 15. April 1869

Würzburg 15. April |1869.

Liebster Freund!

Auf der Rhede von Würzburg liegend will ich Dir vor meinem Einlaufen in den Hafen von Jena noch brüderlichen Gruß senden, und dann meinen Dank für Deine letzten freundlichen Zeilen. Anschließend an meine letzte Nachricht aus Venedig kann ich Dir noch sagen daß die beiden letzten Tage in der Lagunenstadt sich etwas besser anließen als die vorher gegangenen. Aber eine Besorgung Deines Auftrages war nicht mehr ausführbar, und mußte auf Triest verschoben werden. Diese Stadt hat meine Erwartungen sehr übertroffen. Auch für Dich habe ich habe ich da etwas thun können. Mein erster Gang war dem Aufsuchen einer passenden Hilfe gewidmet, die ich endlich nach Verlauf eines halben Tages in Prof. Stossich fand. Derselbe versprach mir seine Hilfe, konnte aber da er mit Unterrichtsstunden überladen ist, sich nicht selbst betheiligen, und beauftragte einige Fischer mit dem Ansuchen der ihm sehr wohlbekannten Sachen. Ich beschaffte inzwischen Gläser und Spiritus, ward aber anderen Tages als die Fischer ihre Bajols brachten sehr enttäuscht, da keine einzige Grantia oder Sycon dabei war. Sie hatten offenbar den Stossich falsch verstanden und am Meeresgrunde gefischt, aber herrliche Sachen, schöne Botryllen und Cynthien etc. Ich ergötzte mich da wieder einige Stunden an der lebendigen Pracht der || wirbellosen Tiefgrundfauna, und machte aus dem doch einmal aquirirten eine kleine Sammlung, wobei mir Stossich versprach einige Gläser mit den verlangten Spongien selbst zu sammeln, und das ganze dann an Dich zu senden. Inzwischen ist das wohl geschehen.

Ein schöner Nachmittag im feenhaften Miramar schloß unseren Triester Aufenthalt, aber auch das gute Wetter, das erst wieder bei der Semmering-Passage, wie auf Bestellung erschien. In Wien, wo wir vier Tage weilten war es wieder wechselvoll. Die Vegetation war noch soweit zurück, daß wir nur auf Kunstgenüße uns beschränkten. Erst in Nürnberg wo eine zweitägige Rast uns hielt ward es warm oder vielmehr heiß, und hier ist es voller Frühling, oder eigentlich Hochsommer, wenn wir die Temperatur allein in Anschlag bringen. In den zwei Tagen unseres Hierseins hat mein Töchterchen sich schon sehr an seine Mama angeschloßen, und auch das Verhältniß der letzteren a zu meiner guten Schwiegermutter ist ein vortreffliches, so daß viel des Schweren leichter überwunden wird als ich es denken durfte. So geht denn Alles gut.

An Hartung habe ich geschrieben. Meine Anschläge lege ich Dir zur gefälligen Besorgung bei. Etwa am 28ten beabsichtige ich in Jena einzutreffen, sende Dir aber jedenfalls vorher bestimmtere Nachricht.

Mit herzlichen Grüßen an Dich und Deine Frau, von mir wie von Ida schicke ich diese Zeilen als Dein treuergebener

Carl.

Auch meine Schwiegermutter läßt Dich grüßen!

a Von oben eingefügt: der letzteren.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.04.1869
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9958
ID
9958