Arnold Dodel-Port an Ernst Haeckel, Lugano, 20. Juni 1906
(Schweiz) Lugano, d. 20./VI.1906
Villa Monteverde.
An Herrn Professor Dr. Ernst Haeckel, Jena.
Zoologisches Institut.
Hochgeehrtester Herr College!
Ihr Verleger („Wanderbilder“) Herr Dr. Woldemar Koehler in Gera, hat mich gebeten, für den Text der projektierten billigeren, kleineren Ausgabe Ihrer „Wanderbilder“ einen einleitenden Aufsatz unter dem Titel: „Haeckel als Erzieher“ zu verfassen. Es sind bereits zwischen uns Briefe gewechselt worden und ich habe den Auftrag mit Vergnügen übernommen. Es soll mir eine Freude sein, Ihr Bild von einem neuen Standpunkt aus zu beleuchten. Damit mein guter Wille zu einem gedeihlichen Ziele gelange, bin ich auf den Gedanken gekommen, Sie anzufragen, ob Sie nicht diesen Anlass gern benützen würden, um mir brieflich Einiges, was in dieses Thema hineingreift, und noch nicht anderswo gesagt worden ist, mitzuteilen. Ich denke mir, Sie könnten mir verschiedene Notizen geben, die für uns Andere von grossem Werte sein würden, z. B. wünschte ich von Ihnen selbst zu erfahren, ob Sie nicht allein das studierende Jungvolk, sondern auch Ihre eigenen Kinder recht lieb gehabt haben und mitgewirkt bei der Arbeit, welche sonst bei gelehrten Männern allein auf den Schultern der Mutter liegt. Ich kann mir Sie nämlich gar nicht vorstellen, dass Sie z. B. im engen Kreis der Familie die Rolle eines Haustyrannen hätten spielen können; aber ich möchte aus authentischer Quelle dasjenige erfahren, was ich als selbstverständlich voraussetze.
Sollten Ihre Zeit und Ihr augenblicklicher Gesundheitszustand es Ihnen gestatten, mir einige Mitteilungen zukommen zu lassen, die in dieser Hinsicht von Wert für mich sein könnten, oder mich vielleicht auf Dieses und Jenes noch aufmerksam zu machen, so würden Sie mich durch eine baldige Erfüllung meiner Bitte sehr zu Dank verpflichten. Ich möchte gern, dass die Arbeit, an die ich mit grosser Freude gehe, auch recht gut werde!
Ich hoffe sehr, dass Ihr Gesundheitszustand, sehr geehrter Herr College, ein befriedigender ist, und Sie mit rechter Freude und möglichst ohne zu grosse Beschwerden und Anstrengungen Ihrer Arbeit in diesem Semester wieder nachgehen können!
Nehmen sie meine besten und herzlichsten Grüsse! Auch mein Freund, Dr. Juliusburger aus Steglitz, der momentan zu seiner Erholung und zu meiner Freude hier bei mir weilt, trägt mir Grüsse an Sie auf.
Mit allen guten Wünschen
Ihr herzlich ergebener
Arnold Dodel
Adresse: Villa Monteverde
Lugano, Schweiz.a
(Darf auch ich Ihnen wieder meine herzlichen u. ergebenen Grüße senden? Hannah Dorsch.)b
a egh.: Arnold Dodel … Schweiz; b egh. am linken Rand v. S. 1.: (Darf auch … Hannah Dorsch.)