Hermann Müller an Ernst Haeckel, Lippstadt, 28. Februar 1873
Lippstadt 28 Febr 1873.
Geehrtester Herr Professor!
Sie waren so freundlich mir das letzte Heft Ihres Werkes über Kalkschwämme zu übersenden, welches die weit greifenden allgemeinen Ergebnisse Ihrer Spezialuntersuchungen zusammenfaßt. Ich habe das selbe mit lebhaftestem Interesse gelesen und erlaube mir nun, als Beweis meiner Dankbarkeit für die Übersendung desselben, Ihnen ein Exemplar meines Buches über die Befruchtung der Blumen durch Insekten zu übersenden.
Da das selbe gleichzeitig und fast in gleichem Grade botanischen und entomologischen Inhaltes ist, so läuft es Gefahr, sowohl von Botanikern als von Entomologen einseitig beurtheilt zu werden und deßhalb weder bei den einen noch bei den anderen die gebührende Aufnahme zu finden. Sein Zweck, sowohl Botaniker als auch Entomologen für eine Beachtung der Wechselbeziehungen zwischen Blumen und Insekten zu gewinnen und eine Bearbeitung der Lokalfloren anzubahnen, welche anstatt der bloßen Unterscheidung der gegebenen Blumenformen ein ursächliches Verständniß derselben || anstrebt, würde damit natürlich vollständig vereitelt werden.
Sollten daher Sie, der Sie auf beiden Gebieten zu Hause sind und den Standpunkt meiner Arbeit nach allen Seiten hin würdigen können, gelegentlich soviel Zeit für das selbe erübrigen als nöthig ist, um ein eingehendes Urtheil über das selbe abzugeben, so würde die Veröffentlichung Ihres Urtheils für die Verbreitung und Wirkung meines Buches sicherlich von entscheidender Bedeutung sein.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebenster
HMüller
Herrn Professor Haeckel
Jena