Gabriel von Max an Ernst Haeckel, Ambach, 8. Oktober 1902
Ambach 8.10.902
Hochverehrtester Herr Professor!
Tiefgerührt in Dankbarkeit war ich dieser Tage, als ich nach viermonatlicher Abwesenheit von München Ihre „Natürliche Schöpfungsgeschichte“ in 10.a Auflage im Auftrag des Verfassers zugesand [!], vor mir liegen sah. Solche großmütige Auszeichnungen sind im Leben selten. Großmütig, denn ich habe noch gar nicht gedankt für die Ehre Ihres Besuches vor zwölf Monaten, auch nicht für gütige Übersendung des Prachtwerks Insulinde. Kaum durchgelesen ward es mir entrißen und wandert noch immer von Hand zu Hand, nur entzückte Urtheile kommen an mein Ohr. Ich aber bin stolz die farbigen Originale || so mancher dieser Holzschnitte gesehen zu haben, mit den belebenden Worten des berühmten Künstler-Gelehrten.–
Mein Hinterfuß genierte mich noch längere Zeit, dann kam ein winterliches Schneegestöber und in Ambach nahmen die Mütterpflichten für einen jungen Mantelpavian ♀︎ mich ganz in Anspruch. Das Wetter zwang uns vor einigen Tagen unseren Liebling, dank freundlichen Entgegenkommens Direktor Dr. Hecks an den zoolog. Garten Berlins zu senden. Nun sind wir die trauernd Hinterbliebenen.
Auch muß ich meinem Schwelgen in den Wundern der Tiefsee, welche Sie hochgeehrtester Herr Professor so wunderbar zeichnen in den Heften der Kunstformen der Natur dankbarst Ausdruck verleihen.||
Das Material zur Reconstruktion eines Urvorfahren wächst überwältigend, vielleicht kann ich meinen Plyocaenmenschen diesen Winter durch Gereifteres ersetzen.
Mit höflichsten Empfehlungen meiner Frau an den immer heitern Herrn Professor und in dankbarer Verehrung
Ihr ergebenster
G. v. Max
a korr. aus irrtüml.: 18.