Abel-Musgrave, Curt

Curt Abel-Musgrave an Ernst Haeckel, Königstein im Taunus, 14. Januar 1915

LABORATORIUM FÜR RADIOACTIVITÄT

PALAST-HOTEL WIESBADEN

LEITUNG: DR. PHIL. NAT. CURT ABEL-MUSGRAVE

Villa Pruefer

Koenigstein im Taunus

Januar 14. 1915.

Hochverehrter Herr Professor!

Ich danke Ihnen herzlich fuer Ihr freundliches Schreiben vom 10 d. M., und fuer die in demselben ausgesprochene Billigung meiner Anregung, eine Vereinigung zu bilden, deren Aufgabe es sein soll, auf den seelischen und geistigen Zustand unserer Krieger im Felde ermutigend und staerkend einzuwirken. Waehrend meines acht Wochen langen Aufenthaltes auf dem Kriegsschauplatze, namentlich in Belgien, habe ich die Ueberzeugung gewonnen, dass derartige Einfluesse sehr notwendig sind, und dass in dieser Richtung viel zu wenig getan wird. Namentlich durch das lebendige Wort wollen wir wirken.

Je tiefer ich aber von der Ueberzeugung solcher Notwendigkeit durchdrungen bin, desto aufrichtiger wuerde ich bedauern, Ihren hochgeschaetzten Namen unter der Zahl derer zu vermissen, die fuer die Ausfuehrung meiner Anregung eintreten. Ich wage deshalb nochmals, und zwar im Interesse unserer Krieger, mich an Sie mit der Frage zu wenden, ob Sie in der Lage waeren, den einliegenden Aufruf mitzuunterzeichnen. Ausser den bereits angefuehrten Namen haben die nachfolgenden ihre Billigung ausgedrueckt und eine Beteiligung in Aussicht gestellt: Prof. Neisser (Breslau) Brentano (München), a Truebner (Karlsruhe), Lamprecht (Leipzig) etc. ‒ ‒ ‒ Wenn Sie uns unterstuetzen, Herr Professor, ist der halbe Kampf bereits gewonnen. Mit den besten Wuenschen und in aufrichtiger Verehrung

Ihr dankbarer Schueler

Dr. C. Abel-Musgrave

P. S. Aus dem Unterzeichnen des Aufrufes wuerden Ihnen keinerlei Muehen, oder sonstige Verpflichtungen erwachsen.

[Beilage]

Vereinigung zur geistigen Anregung der Deutschen Krieger im Felde.

General-Feldmarschall von Hindenburg hat im December 1914 dem Berichterstatter einer Wiener Zeitung erklaert:

„Der Krieg ist vor allem eine Nervenfrage. Wenn Deutschland und Oesterreich-Ungarn staerkere Nerven haben und durchhalten (und sie werden sie haben und werden durchhalten) so werden wir siegen.“

Diese Anschauung des General-Feldmarschalls wird von der Fuehrung aller im Felde stehenden Heere (auch der feindlichen) und von den Aerzten geteilt. In diesem Vernichtungskampfe gegen das Deutschtum und den Deutschen Gedanken in der Welt handelt es sich also vor allem darum, den taeglichen Verlust an Nervenkraft, den die Ueberwindung schwerster stuendlicher Aufgaben erfordert, zu ersetzen, damit das psychische Gleichgewicht unserer Krieger erhalten bleibe.

Die Unterzeichneten beabsichtigen, eine Vereinigung zu bilden, welche die im ganzen Reiche verstreuten Bemuehungen, den Kriegern im Felde Buecher und Zeitungen zu liefern, einheitlich organisieren und auch dahin ergaenzen soll, dass, soweit die dienstlichen Verhaeltnisse gestatten, Vortraege gehalten werden, und in jeder zweckmaessigen Weise durch das lebendige Wort gewirkt wird. Vielleicht gelingt es, eine Vereinigung zu bilden, welche (stets im vollsten Einverstaendnisse mit den militaerischen Behoerden) auch nach Beendigung des Krieges fortwirken kann.

Wir richten an alle, die mit diesen Bestrebungen einverstanden sind, besonders auch an die bereits bestehenden Vereinigungen, welche aehnliche Ziele haben, an die Vereine fuer Volksvortraege u. s. w. die Bitte, sich mit dem unterzeichneten vorbereitenden Schriftfuehrer in Verbindung zu setzen.

Dr. Herbert Eulenberg, Kaiserswerth am Rhein.

Dr. Curt Abel-Musgrave (vorbereitender Schriftfuehrer) Nieder Walluf, Rheingau

zur Zeit: Koenigstein im Taunus, Villa Pruefer.

Prof. Dr. Eduard Meyer, Berlin Lichterfelde.

Prof. Dr. W. Wien, Wuerzburg.

a gestr.: Dreebner

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
14.01.1915
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 9117
ID
9117