Alberts, Karl

Karl Alberts an Ernst Haeckel, Wiesbaden, 9. Januar 1877

Wiesbaden, den 9. Januar 1877.

Hochverehrtester Herr!

Mit stolzer Freude und größtem Dank entfalte ich Ihre geehrte Sendung Ihr wertvolles Manuskr. und Ihren nicht minder wertvollen Brief. Es ist nicht nur die Freude an dem Glanze Ihres verehrten Namens, sondern auch Mut und die Energie, die ich aus jeder Zeile neu schöpfen darf. Sie werden kaum glauben, hochverehrter Herr wie sehr und oft in der letzten Zeit ich dort, wo ich das selbstloseste und rückhaltlos hingebendste Streben nach Geltendmachung der Wahrheit voraussetzen durfte, auf eine Masse von Rücksichten und Hindernissen gestoßen bin, ja selbst auf eine bis zur Verleugnung gehende Zaghaftigkeit. Da sind zunächst die drei oder vier Ablehnungen (aus Berlin, Leipzig (2), und Freiburg), die unter den verschiedensten „Motiven“ (euphemistisch ausgedrückt) erfolgten; aus einem Orte sogar mit dem ziemlich offenen Eingeständniß des Abfalls vom Darwinismus. Da sind ferner gewisse noch „ausstehende“ Fälle, die ich Grund habe, wenigstens zum Teil auf ähnliche „Motive“ zurückfüren zu dürfen. Dann sind noch manche Erfahrungen da an Männern, die dem Unternehmen näher getreten sind. Der eine perhorrescirt den „Monismus“ und erklärt sich, wenn auch „nicht“ für einen „entschiedenen“, doch für einen „mäßigen“ Dualismus (sic!), dem er in der Fassung der Titel Ausdruck zu geben wünscht. Ein andrer hält || es nicht für überflüssig, lange Abhandlungen über die mögliche Farbe des zu wählenden Umschlags zu liefern, wie er an anderem Orte langwierige Untersuchungen über die Vorzüge des (die irrige Vorstellung doch unwillkürlich auf die Peripherie zu senden) Riemannschen „Kugelraums“ vor dem alten euklidischen liefert, der ja an letzter Stelle vor der allein richtigen kantischen Kritik auch in Nichts zerfließt. „Die Entwicklung der Dinge“ beware den Kosmos noch recht lange vor solchen Kontagien.

Allerdings fließen mir auch von nah und fern frohe herzliche Zustimmungen zu. Vor allem weiß ich Ihnen von Tag zu Tag mehr Dank, dass Sie mich an Dr. Krause verwiesen. Er scheint mir so ziemlich der einzige zu sein, der da weiß was er will und daher den Mut hat, die Consequenzen aus den für war erkannten Sätzen zu ziehen, one an der kindischen und doch so allgemein beachteten Warnungstafel: „Was soll daraus werden, wenn – –?“ zurückzuprallen. Sind wir einmal in See, so hoffe ich, dass er unbeirrt und unbekümmert um jeden Wind, der nicht aus Jena bläst, unsere Fahrt durch die Wogen steuern wird.

Der Prospect unterliegt augenblicklich der Revision des redactionellen Triumvirats. Die Ausgabe des ersten Heftes, nebst dem Prospect, haben wir endgültig auf den 15. März mit dem Datum des ersten Aprils fixirt, so dass die folgenden Hefte vom 1. Mai successive monatlich folgen. Von Manuscripten sind eingegangen resp. versprochen von Georg Seidlitz eine literarisch-darwinistische Übersicht; von Dr Arnold Lang eine größere Arbeit unter dem Titel || Lamarck und Darwin. Von Hr. Martin Schultze (Küstrin) eine scheinbar weitabliegende philologische Abhandlung.

Herr Preyer feierte gestern seine Vermälung. Er hatte mir seinen Besuch angezeigt, ist aber jedenfalls, und wie leicht begreiflich, wegen der mannigfachen, einem solchen Schritte zuvorgehenden anderweitigen Inanspruchnahmen nicht dazu gekommen; aus dem nämlichen Grunde habe ich ihn mit meiner Aufwartung nicht zu behelligen gewagt. Nach seiner Rückkehr aus Italien hat er uns einen Beitrag in Aussicht gestellt. Ich zweifle nicht, dass namentlich durch den nicht hochgenug anzuschlagenden Beitritt Darwins zahlreiche andre zarte Rücksichten fallen werden.

Mit nochmaligem ergebensten Danke und der Bitte, uns Ihr Wohlwollen auch ferner zu bewaren, verharre

in vollkommener Ehrerbietung

ganzergebenst

Karl Alberts.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
09.01.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 8920
ID
8920