Eduard Aigner an Ernst Haeckel, St. Jean du Mont, 3. Januar 1916
Landsturm Bat.
„Mindelheim“
Bat. Arzt
Frankreich.
Vogesen.
XV. Reserve Korps
30. Reserve Division
St. Jean du Mont
3. Januar 16.
Hochverehrter Herr Professor!
Ihre Sendung hat mich so freudig überrascht, daß ich voll dankbaren Herzens heute meinen Gefühlen Ausdruck verleihen möchte.
Ich erlebe hier an der Front so Unglaubliches. Die Eindrücke sind so tief, daß sie wohl erst nach langer Zeit richtig gedeutet werden können. Auf 40 m stehen an verschiedenen Stellen sich die feindlichen Linien gegenüber: Täglich dröhnen die Geschütze ihren furchtbaren Gruß und ich suche immer dieses Erleben mit meinem Weltbild zu vereinen. Da hilft mir Ihr Werk vorzüglich und ich sitze Stunde für Stunde und || denke voll Verehrung an die Zeit, wo ich bei Ihnen vorsprechen durfte und Nahrung einsog für das geistige Leben.
Was soll nach dem Kriege werden, wohin geht der Weg. Ich arbeite täglich daran, mich gesund zu erhalten, um dann auf dem Posten zu sein!
In München gehts gut weiter auch sonst habe ich manch gute Nachricht, wenn auch im Allgemeinen die Zeiten schwer sind. –
Ich darf wohl in inniger Dankbarkeit ein Bild senden, das Ihnen zeigen soll, daß ich mich der kommenden Arbeit noch ganz gut erhalten habe.
Mit kräftigem Neujahrsgruß
Ihr getreuer und dankbarer
Dr. Aigner