Ida Altmann an Ernst Haeckel, Spa, 14. August 1910
Spa, den 14. August 1910
Hochverehrter Herr Professor,
ehrwürdigster Meister!
Ganz untröstlich teilt Freund Furnemont mir mit, daß Sie seine Einladung zu unserm Kongreß ablehnend beantwortet haben, was sicher von den Freidenkern aller Länder aufs schmerzlichste bedauert werden wird. Ein jeder von uns weiß ja, was Ihr Name den um Geistesfreiheit, um Bekundung freier Weltanschauung kämpfenden Menschen aller Kulturnationen bedeutet, gerade deshalb besonders verehrungswürdig, weil von allen zurzeit lebenden, durch ihre Leistungen zu Weltruhm gelangten Kindern Germanias Sie doch der Einzige sind, der vollen Bekennermut betätigte.
Deshalb meinen Furnemont und ich, daß, wenn wir schon nicht das Glück haben können, Sie bei diesem Kongreß persönlich in unserer Mitte zu sehen als begeisterndes und erhebendes Vorbild aller Freiheitsstreiter, es doch unsere Arbeiten sehr fördernd beeinflussen würde, wenn Sie die Güte hätten, uns für den Kongreß einige Worte zu schreiben.
Falls Sie, hochverehrter Herr Professor, diese meine Bitte nicht zu unbescheiden finden, sie vielmehr zu erfüllen geneigt sind, werden Sie damit uns alle aufs höchste erfreuen. Furnemonts Adresse beziehungsweise die des internationalen Bureaus ist Ihnen ja wohl bekannt; sollte ich aber die glückliche Empfängerin einiger Zeilen von Ihnen sein, so bitte ich, diese postlagernd an die Poste Centrale in Brüssel richten zu wollen, wohin ich Mittwoch, den 17.8., kommen werde.
In dankbarster Verehrung
Ihre getreue Schülerin
Ida Altmann.