Allmers, Hermann

Hermann Allmers an Ernst Haeckel, Rechtenfleth, 31. Dezember 1896

Rechtenfleth

d. 3 I Dcbr 96.

Mein herzlieber Haeckel.

Wie überraschest Du mich, wie überhäufst Du mich in Einem fort mit herzerfreuenden Beweisen Deiner treuen Freundschaft, daß ich ganz beschämt vor Dir stehe, denn wie ich meine habe ich Dir noch nicht einmal auf Deinen lieben herzenswarmen aber leider eben so klagenden und mißmuthigen Brief geantwortet den Du mir schon am 14 Nov geschrieben

hast, gleichwie ich auch noch einen langen Deines Sohnes und einen noch viel längern Deines Neffen (Julius) zu erwiedern hatte. ||

Du hast aber keine Ahnung von den Unzähligen mit denen mich meine 75 Jahre und 10 Monate mit ihren ebenfalls unzähligen Kreuz- und Querzügen in Beziehung gebracht haben und unter denselben sind so Viel, die a mir lieb oder dochb interessant geworden sind. Daß mein Herzenskultus, namentlich mein schriftlicher, mich schier zu Boden drücken würde, wenn er mich nicht zugleich so reich und glücklich machte, was ich durch Deine Liebe vor Allen bin. Und wiederum innigen Dank für die herzerfreuende Weihnachtsgabe durch die Du mir in meiner Einsamkeit sicher weit mehr gegeben hast als Du glauben wirst. Jenes liebstes Haus ist leider auf keinem Bilde zu sehn, doch was macht es, ich denke seiner täglich und daß es wieder die schöne Stätte echten Glücks werden mag, ist meines Herzens heißer Wunsch, denn mit tiefer Theilnahme las ich das Trübe was Du mir meldetest. In Einem aber || klagst Du ungerechterweise, wenn Du den Erfolg Deiner vierzigjährigen wissenschaftlichen Arbeit und Bestrebung als ‒ recht mäßig darstellst. c Über das gegenwärtige Ergebniß Deiner Forschung mag Dir ein Urtheil zustehen was Du aber damit der Zukunft erschlossen hast wagst Du selbstd vielleicht noch nicht einmal zu ahnen. Doch wer bin ich, Dir Solches zu sagen? ‒

Nein darüber sei doch ohne Sorge. Weit ernster jedoch berührt mich, was Du über unsern lieben wackren aber in seiner herrlichen Kunst, leider auf solche Wege gerathenen Walter sagst. Und selbst nach dieser Seite hin gebe ich meine Hoffnung auf ihn noch nicht auf, da ich zu meinem Spaße bereits Solches erlebt habe. Hoffen wir, daß ein Tag von Damaskus

auch für ihn nicht mehr fern ist. ‒

Mehr davon ein andermal. Noch einmal Dank für Deine neue Liebesgabe und Deinen Lieben dort glückerfülltes Jahr auf, daß auch Du glücklich darüber bist wie es mit Dir sein wird Dein alter treuer

Hermann Allmers ||

N.S.

Noch eine hoch intressante Nachricht von hier. Die durch den von mir geschaffenen historischen e Heimatsverein der sog. Männer vom Morgenstern jüngst gemachte Entdeckung eines altgermanischen Urnenfriedhofs mit einem steinumhegten Holzkohlen enthaltenen Verbrennungsplatz und zahlreichen heimischen Urnen unter denen sich aber auch mit

kunstvollen Reliefs geschmückte f römische befanden. Und denke Dir der eigentliche Entdecker mein hiesiger junger Freund der Dr. Bohls ist kein Anderer als der bekannte Wiederentdecker des Lepidosiren in einem Sumpfe Paraguays, jenes Molchthiers das je nachdem, was es für practisch hält sich Lungen oder Kiemen anschafft. ‒ Am 2tn Jan 97. Besucht er mich auf ein paar Tage, um die Gründung eines Museums in Bremerhaven

zu besprechen. Erzähle Obiges Klopffleisch doch.

a gestr.: ich; b gestr.: und; eingef.: oder doch; c gestr.: Für; d eingef.: selbst; e gestr.: Verband; f gestr.: römisch

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
31.12.1896
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 8727
ID
8727