Ammon, Sophie von

Sophie von Ammon an Ernst Haeckel, Biskra, 5. Februar 1909

Biskra d. 5. II. 1909.

Hochverehrter Herr Professor Haeckel!

Excellenz!

Auch in diesem Jahre muß ich Ihnen aus der Ferne meine herzlichsten und aufrichtigsten Glückwünsche zu Ihrem Geburtstage senden. Vor allen Dingen hoffe ich, daß Sie den schönen Festtag im bestem [!] Wohlbefinden im Kreise der Ihrigen und mit guten Freunden, in derselben Frische begehen wie sonst, Ihnen das neue Lebensjahr viel Gutes und Schönes bringt, Sie sich ungetrübt und ungestört Ihrer Tätigkeit weiter widmen dürfen. Lange habe ich direkt nichts von || Ihnen und Ihrer lieben Frau gehört, wollte Letzterer immer mal wieder schreiben, aber es blieb nur beim Wollen! Bei meinem so kurzen Aufenthalte im vergangenen Herbste in Jena, konnte ich ja leider bei Ihnen nicht vorsprechen, denn Sie waren Beide verreist! – Nun bin ich seit dem I Januar wieder in Afrika, landete nach einer bösen Ueberfahrt von Genua kommend in Algier, welches mit seiner schönen Lage und Umgebung mir sehr gefallen hat. Der alte Theil der Stadt die sogenannte Kasba bietet ein Bild des Schmutzes, ein Elend der Bevölkerung tritt einem dort entgegen, fast so schlimm dem in alt Cairo. Die neuere Stadt ist sehr modern geworden, kann ich nicht sagen, daß die so hohen Häuser || die Landschaft verschönern. Die arabische Bevölkerung und besonders die besser Situirten machen doch einen recht degenerirten Eindruck grad’ in Algier, wo sie den ganzen Tag in den Kaffees herum sitzen und dem Abzynth Trinken sehr zu sprechen. Das ist die Kultur von den Franzosen ihnen gebracht! – Von Algier machte ich einen Abstecher nach dem höher gelegenen Hammam Rhira bei Ban Medfa und dort fand ich bei meiner Wanderung das kleines Thierchen, welches ich mit viel Muse gefangen habe und welches Ihnen Prf. Dobenecker von mir bringen wird. Sie haben in Ihrer schönen Sammlung weit bessere Exemplare – doch wollte ich Ihnen zeigen, daß ich auch in der Ferne Ihrer dankbar und freundschaftlich || gedenke und erlaubte mir darum diesen kleinen Scherz. – Ferner besuchte ich noch Oran und Tlemcen, wo ich schöne Frauen sah und auch die Männer wie die Kinder kräftig und blühend ausschauen. Oran hebt sich von Jahr zu Jahr sagte man mir, durch den zunehmenden Handel, hat mir der Ort mit seinen hübschen Anlagen und mannigfachen Spaziergängen sehr gefallen. Das Negerviertel und das Israelitische Viertel haben schöne breite Straßen, sieht viel sauberer und freundlicher aus, als man es sonst vorfindet. Nun bin ich für etwa 14 Tage hier, in Biskra, wieder ganz anderes Leben und Treiben. Anscheinend bessert sich nun die Witterung und so habe ich mich entschlossen nach Touggourt einen Abstecher zu machen, um noch etwas mehr vom Lande zu || sehen. Hernach komme ich für wenige Tage hierher zurück, suche dann noch Timgad auf, man sagt die Ausgrabungen wären noch schöner als Pompey?, dann will ich für 2 Tage nach Constantine, vielleicht Bane und dann Tunis mir ansehen. Von Tunis hernach wieder nach Europa zurück. Im Ganzen bekommt mir dies Wanderleben gut, verzichten muß man ja bisweilen auf eine gewisse Bequemlichkeit, aber dafür lernt man doch so viel Neues Kennen, erweitert in jeder Beziehung seinen Gesichtskreis und seine Anschauungen vom Leben werden auch ganz andere. Ich genieße dankbaren Herzens und Sinnes all das, was sich mir bietet – ob, wann und wo ich || mich später mal wieder festsetze, darüber denke ich zur Zeit nicht nach. –

Allmählich fängt es nun an in den Anlagena hier zu treiben seit dem wir 2 ordentliche Regentage hatten. Das Elend unter der Bevölkerung ist groß, aber die Leute arbeiten wenig, werden jeden Morgen anb die ganz Armen 1 – 1½ Handvoll kleine Datteln vertheilt – diese sind ihre ganze Nahrung. Schrecklich ist die Bettelei, schlimmer denn irgendwo anders, hat man bisweilen einen ganz langen Schwanz hinter sich. An malerischen Bildern fehlt es aber wahrlich, selbst die zerlumpten Leute liefern Stoff dazu und erst recht die in Mengen an ihren Wohnungen liegenden Frauen und Kinder. || Doch nun habe ich Ihnen Excellenz so viel vorgeschwatzt, daß ich zum Schluß eilen muß, Ihre Zeit schon zu lange in Anspruch genommen.

Grüßen Sie bitte Ihre Frau Gemahlin sehr von mir, komme ich mal im Laufe d. J. nach Jena, da hoffe ich bestimmt ein gemütliches Plauderstündchen mit Ihnen Beiden zu haben.

Nochmals viel Gutes. Mit den herzlichsten Grüßen, immer

Ihre alte

S. v. Ammon.

a eingef.: in den Anlagen; b eingef.: an

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.02.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 8466
ID
8466