Behm, Hans Wolfgang

Hans Wolfgang Behm an Ernst Haeckel, Münzesheim, 4. November 1909

Münzesheim, den 4.XI.09.

Mein lieber Herr Professor Haeckel!

Ach – verzeihen Sie mir gleich diese Anrede, ich kann wirklich nicht anders schreiben. Bald 6 Monate sind nun schon verflossen, seit ich Sie einst in Baden-Baden habe besuchen dürfen. Wie glücklich bin ich, wie tausendfach muß ich Ihnen heute noch Dank schulden, daß ich damals eine gemütliche Stunde bei Ihnen verweilen konnte. Unermüdlich habe [ich] mich seitdem mit den Protisten beschäftigt, werde aber doch noch eingehenderes Studium nötig haben. Dann aber ist’s eine Arbeit, die ich mit Freuden begonnen, mit Freuden vollendet habe.

„Ernst Haeckel, ‒ aus seinem Leben u. Wirken“ so soll die vorerst noch kleine Schrift heißen. An Hand Ihrer vorzüglichen Werke habe [ich] mich durchgearbeitet, habe nun versucht, Sie als einen Reformator einer vernunftgemäßen Weltanschauung, als den größten Repräsentanten der Wahrheitsforschung darzustellen; habe be-||sonders im letzten Kapitel eine Würdigung Ihres herrlichen Monismus angeschlossen. Mein guter teurer Herr Professor, am 16. Februar wird es mir wahrscheinlich vergönnt sein, im Monistenbund zu Karlsruhe eine Festrede vor aller Öffentlichkeit in einem unsrer größten Säle Karlsruhes zu Ihrem 76ten Geburtstag zu halten. Da werde ich so etwa nach meinem Schriftchen gehen.

Hochgeehrter Herr Professor, nun möchte ich die Bitte, an Sie richten, ach, ‒ verzeihen Sie mir doch dieses Verlangen ‒, ob Sie vielleicht nicht mit väterlichem Rat mir zur Seite stehen würden, einen Verleger für meine Arbeit zu finden.

Wohl habe ich in Karlsruhe schon oft schriftstellerisch zu arbeiten gehabt, aber unsere hiesigen Verleger finden es notwendig, einem Massen-Verlag dieses Schriftchen zu übergeben. Lieber Herr Professor! ich weiß, dass das von mir sehr viel verlangt ist, aber ich will ja nur für Ihre gute Sache der Wahrheit ringen, kämpfen und sterben; nur für Ihre wahre Weltanschauung eintreten, und wo ich kann Ihnen Schüler sammeln. Ich weiß es ja, daß Sie in Ihrem Alter || der Ruhe bedürfen. Ich weiß es ja, daß ich Sie damit sehr störe, aber mein lieber guter Herr Professor, ‒ mein teurer Ernst Haeckel – stehen Sie mir doch noch auch diesesmal mir Rat zur Seite, Sie haben es ja in Ihrem Leben schon bei so vielen in Ihrer Menschenfreundlichkeit getan; meinen tiefsten Dank, den ich Ihnen schulde, kann ich ja gar nicht aussprechen.

Leider muß ich vorerst noch im Lehrfach tätig sein, bereite mich aber jetzt zum wilden Abiturium vor, um, ‒ ach ginge doch mein sehnlichster Wunsch in Erfüllung – studieren zu können.

Wenn ich doch nur einigermaßen Erfolg hätte mit weiteren Auflagen meines Schriftchens, dass ich dem dualistischen Lehrerstand Lebewohl sagen könnte. Muß jetzt als sog. Schulverwalter in Münzesheim tätig sein. Ach, wie schwer wird mir das. Wenn meine lieben Eltern doch blos zugeben wollten, daß ich heute schon mein Amt niederlege. Meine lieber guter Herr Professor, ach würden Sie nicht ein paar Worte an meine Eltern richten können, daß Sie doch endlich meine unglückliche Lage einsehen lernten. Ach, tun Sie es doch || die Adr. lautet, Karlsruhe i/B, Sofienstr 77. Herrn Otto Behm/. Ich werde ja arbeiten, was ich kann, Sie selbst, meine teurer Herr Professor, Sie sind mir zum Vorbild geworden. Ihr gutes, so warm zum Herzen sprechendes Bild, hängt vor meinem Arbeitstisch. Wenn ich auch ermüde, brauche ich es blos anzusehen – gerade wie es Ihnen bei Ihrem lieben alten Johannes Müller geht – um neue Kraft zu gewinnen.

Ach, mein teurer, von aller Welt so hochgeehrter Herr Professor, o, nehmen Sie sich doch die Mühe und erteilen mir Antwort, ich werde es Ihnen in meinem Leben gewiß tausendfach, wo ich nur kann, danken. Vielleicht darf ich es mir auch dann erlauben, Ihnen meine vorerst auch nur kleine Arbeit nach Jena zu übersenden.

Teurer Herr Professor! o denken Sie doch an mich, ‒ nicht anders kann ich schließen –

Mit tausend Grüßen

in ewigem Dank u. tiefster Ehrfurcht

Ihr Hans Behm.

N.B.

z. Z. Münzesheim b. Bruchsal (Baden)

Schulhaus.

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
04.11.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 7867
ID
7867