Franz Becker an Ernst Haeckel, Neuchâtel, 11. Februar 1915
11 Clos de Serrières bei Neuchâtel
den 11 Februar 1915
a
Sehr geehrter Herr Professor,
Erlauben Sie mir, Ihnen zu Ihrem bevorstehenden Geburtstage, meine aufrichtigsten, herzlichsten und ergebensten Glückwünsche zu übersenden. –
Ich hoffe, daß unsere göttliche Mutter Natur Sie noch lange erhalten möge, damit Sie, wenn auch nicht den Triumph, so doch die Fortschritte, des Monismus noch miterleben können. –
Die Menschheit lechzt förmlich, || nach einer neuen Ethik; sie hat nun eingesehen und wird noch einsehen, daß das Beten zu einem Jesus oder zu einer Maria nichts nützt und nicht vor den furchtbarsten Katastrophen bewahren kann. –
Auch zur Bildung der Charaktere thut eine neue Ethik dringend Noth, denn die Charakterlosigkeit nimmt immer mehr überhand. –
Es wäre sehr zu wünschen, daß unsere Zeitschrift so populär als möglich gehalten würde, damit sie leichter als bisher bei dem Volke eindringt. –
Jedenfalls ist Ihre Entwicklungslehre und Ihr Monismus, die einzige Rettung, vor der vollständigen Verstumpfung der Menschheit. – ||
Ich begrüße Sie, geehrter Herr Professor, mit
aller Hochachtung und glauben Sie mir, bitte, daß ich und meine Gesinnungsgenoßen, die alt-deutsche Art oder was noch von ihr übrig bleibt, stets schätzen und achten werden. –
Ihr ganz ergebener
Franz Becker
a gestr.: HÔTEL PENSION BELVÉDÈRE | PROPR. FRANZONI FRÈRES | LOCARNO