Besser, Käthe

Käthe Besser an Ernst Haeckel, Bonn, 8. März 1906

Bonn 8. März 06.

Im Bett.

Hochverehrter, lieber Herr Professor,

die Thränen stürzten mir aus den Augen als ich Ihren Brief gelesen. Eine fast schlaflose Nacht hat mir Ihra so rührendes Anerbieten gemacht. Ich befinde mich in einem fortwährenden Schwanken ob ich die geliebte Freundeshand ergreifen soll zur Zerteilung meiner jetzigen Sorgen, oder nicht. Wüßte ich, ich trübte mit der Annahme auch um das Leichteste nur Ihre Sympathien für mich, dann möchte ichs auf keinen Fall tun.

Wie es gekommen, daß so wenig geblieben von einem || Vermögen von 230 tausend Mark mit dem wir 87 von Pützchen wegzogen? 10 Jahre mußte mein Mann noch die Rente von 2000 Mk an seine erste Frau – mit der er tot unglücklich gelebt – zahlen und kaufte dann das unpraktische Haus, was damals wertlos, jetzt mit Hypotheken überlastet. Dann kam der unglückliche Freund Pauli aus Coblenz mit der Beteiligung anb dem Aktien-Unternehmen wo meinc Mannd 35 tausend Mk verlor und was direkt gegen meine Bitten geschah und meiner Gesundheit den Hauptstoß versetzte. Ich nahm dann oft Pensionaire, aber das Weiterknabbern vom Kapital ging seinen || unheilvollen Weg. Die Hoffnung auf den Bücherverdienst war ja leider immer vergebens, sie kosteten meistens nur. Wäre eins einmal wirklich gegangen! Die Ausstattung der Töchter etc. etc. Und nun die Krankheiten! Sie haben auch ein Teil gekostet. So ist’s gekommen ohne große Sünden im Verbrauch. Dazu mein Mann kein berühmter Rechner, seine Zahlen warden meist illusorisch, sondern Einer, der gern gab. –

Was hat es so Manchem geholfen, als er’s konnte! –

Es regnet um mich Rechnungen nach dem Trauerfall.

Gestern haben mich meine Kinder, meine älteste Tochter || und mein Schwiegersohn zu sich geholt, damit ich bessere Pflege habe. Sie müssen aber jeden Groschen umdrehen. Mit meinem Schwiegersohn 2 bin ich ganz auseinander. Ein ganz gräßlicher Charakter. Lange kann es ja nicht mehr mit mir dauern, wenn die Acetonbildung nicht aufhört. Sie reden mir ein, sie würde in einigen Wochen aufhören und ich im Mai nach Neuenahr können, aber die Herzschwäche war neulich zu arg. Und Sie verehrtester, lieber Freund, auch wieder leidend. Wie mich das zu hören schmerzte! Ach, wenn das salol doch hülfe! Meinem lieben Verstorbenen hat es sehr gute Dienste getan. || So wie das Wetter gut ist, müssen Sie gewiß nach Wildungen. Ob nicht Neid und Haß der Kleinen Ihrem Gesammtbefinden auch etwas geschadet? Wer ein Leben hinter sich hat von solchen Erfolgen wie Sie, d. h. von solchem Vollbringen und Wirken, der darf nicht traurig sein. Frei von tiefem Kummer und Schmerz blieb’s freilich nicht. Wo so viel Licht ist, ist auch Schatten. –

Mein Kopf ist so schwach und angegriffen, daß ich Ihnen nicht schreiben sollte, Sie damit am besten verschonte. || Vielleicht wirds noch mal wieder besser, dann sende ich Ihnen noch das letzte Bild meines Mannes und sehr treffende, schöne Nachrufe. Wenn es Ihnen also mein lieber, verehrtester Freund kein zu großes Opfer ist, dann senden Sie mir eine selbst zu bestimmende Summe. Ich sehe es als meine Ehrenschuld an, dieselbe, wenn ich gesund bin, abzutragen.

Wie interessirte meinen Mann und mich Ihr monistischer Bund, von dem die || Cölnische kurz berichtete. Nun gute Hoffnung von ganzem Herzen:

Meine Verehrung konnte nicht größer werden als ich Sie täglich empfand vor Ihrem Bild – aber meine Dankbarkeit ist so groß, wie’s nicht sagen kann.

Ihre

getreue

Käte Besser.

Senden Sie das Geld

Fräulein Berta Kessler

Bonn Poppelsdorfer Allee 86

a korr. aus: Ihre; b eingef.: der Beteiligung an; c korr. aus: meine; d eingef.: Mann

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.03.1906
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 7576
ID
7576