Bessels, Emil

Emil Bessels an Ernst Haeckel, Heidelberg, 6. Januar 1871

Heidelberg, den 6. Januar 1871.

Lieber Herr Professor!

Endlich bin ich wieder einmal mir selbst zurückgegeben. Ich habe, einem ungeheuern moralischen Katzenjammer Rechnung tragend, mit dem Anbruch des Jahres 1871 meiner ärztlichen Thätigkeit valet gesagt. Ich habe beinahe sechs Monate geopfert und das ist mehr als genug. Allen Ernstes muss ich nunmehr daran denken wieder etwas zu arbeiten, was unter den bisherigen Umständen ein Ding der Unmöglichkeit war, denn man war Tag und Nacht in Anspruch genommen.

Mitkommend empfangen Sie den Sycon von der Westküste Spitzbergens (alle von mir erhaltenen Calcispongien sind von dorten), den ich mit vieler Mühe von Pagenstecher erhalten konnte. Er bittet um baldige Rücksendung! „Dass dem Schwamme ja nichts passiert“, konnte er nicht unterlassen mir nachzurufen, als ich denselben abholte. Wenn Sie wollen, so bitte ich Sie bei Rücksendung der Spongie einige Doubletten für Pagenstecher beizulegen. Ich sprach ihm davon, dass Sie das thun wollten. Aber ja nicht zuviel; höchstens 2 oder 3. Als kleines Weihnachtsgeschenk habe ich dem Sycon ein ganz schnurriges Kalkschwämmchen beigelegt, welches die weite Reise von der Bass-Strasse nach Jena gemacht hat ohne dabei nur ein Wörtchen zu reden. Ich hielt das Ding, welches auf der mitfolgenden Wurmröhre festsass (und zwar mit dem längeren Ausläufer) anfangs für einen Schmarotzerkrebs. Erst die Anwendung des Mikroskopes zeigte mir, dass ein ziemlich symmetrischer (?) Schwamm vorliege. ||

Thun Sie mir doch den Gefallen die noch jetzt auf der Wurmröhre festsitzende Spongie, die eigentlich unverschämt symmetrisch ist, genauer zu betrachten. Halten Sie dafür für dieselbe eine neue Familie zu schaffen?

Für Ihre Photographie sage ich Ihnen herzlich Dank. Durch die Uebersendung des zoologischen vierblättrigen Kleeblattes werden Sie mir natürlich eine große Freude bereiten.

Nun leben Sie wohl.

Mit inniger Anhänglichkeit

Ihr

treuer

Emil Bessels.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
06.01.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7520
ID
7520