Berein, Clara

Clara Berein an Ernst Haeckel, Berlin, 10. Februar 1899

BERLIN, DEN 10. Februar 1899.

Hochverehrter Herr Professor!

Innigst bitte ich, verzeihen Sie, wenn ich mir nach 2 Jahren heute wieder erlaube ein paar Zeilen an Sie zu richten. Ich würde es bei Gott nicht thun und Sie wieder belästigen, Bester Herr Professor, ginge es mir augenblicklich nicht noch viel schlechter, trauriger, als seiner Zeit, wo Sie so gütig waren mir Ihre edele Hilfe sandten. Ich weiß mir keine Rath u. Hilfe und so wage ich es noch ein einzigstesmal mich an Ihr hochedeles, seelensgutes Herz zu wenden, Hochverehrter Herr Professor. Ich fühle es, Sie erhören noch einmal die dringende innige Bitte der Tochter Ihres gestorbenen Kollegens. Innigst bitte ich Sie, helfen Sie mir mit 10 Mrk. aus der größten Noth u. Verzweiflung. Im Januar war es 1 Jahr, daß ich einige Kleidungsstücke von mir verpfändet habe, um etwas zum Lebensunterhalt zu haben, im Juli waren dieselben schon fällig, doch ein Jahr werden die Sachen noch aufbewahrt, als dann kommen sie zur Auktion. Nächsten Dienstag 14ten des Monats kommen nun die Sachen von mir dazu, wenn ich dieselben nicht noch am Montag, einlöse oder prolongire. Ich könnte dieselben so sehr nöthig gebrauchen, da ich garnichts weiter besitze, haben dieselben doch den doppelten Werth für mich, kommen sie zur Auktion sind sie für mich verloren. Anbei erlaube ich mir den Pfandschein beizulegen, damit Sie sich selbst von der Wahrheit überzeugen können, Bester Herr Professor, bitte aber dringend, sehr bald nun denselben zurück, ohne Schein erhalte ich die Sachen nicht zurück. Nun leide ich an den heftigsten rheumatisch-nervösen Schmerzen in Armen u. Händen, daß ich unendlich oft, nicht das Geringste thun kann, nichts || arbeiten, nicht schreiben, nichts, nichts, ich bin ganz unglücklich. Was mir vom Arzte verordnet ist, kann ich nicht befolgen, da ich nicht einen Pfennig besitze, sogar die Briefmarke für diesen Brief habe borgen müssen, deshalb Hochverehrter Herr Professor, bitte ich Sie nochmals innigst, lassen Sie mir dies einemal noch Ihre gütige Hilfe zu Theil werden, machen Sie eine unglückliche Frau wieder froh, glücklich. Ich kann dann meine Sachen einlösen, etwas für meine Schmerzen anwenden, der Gedanke daran erregt mich schon sehr freudig. Die Minuten zähle ich bis Ihr werther Bescheid edele Hilfe eintreffen kann, bin ich doch so lange in entsetzlicher Aufregung, Unruhe kann nicht eine Nacht schlafen. Nie belästige ich Sie wieder, nur diesmal noch verlassen Sie mich nicht, stehen Sie mir bei, Bester Herr Professor. Nochmals von ganzem Herzen bittend, sowie bitte bitte ja nur den Schein zurück, sehe ich recht recht bald, (bis Montag bitte) Ihrer gütigen günstigen Antwort entgegen, sage Ihnen im Voraus herzinnigsten Dank und zeichne mit größter Hochachtung

Ihre dankbare ganz ergebene

Clara Berein.

geb. Bock.

Berlin, C. 2.

Hoher Steinweg 3. III.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.02.1899
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7329
ID
7329